Blut und Rüben
die ganze Zeit über Maren und Carinna nachgedacht.
Was war ich für ein Idiot!
Eigentlich hätten wir auch eine Wanderung zu den Externsteinen unternehmen können, aber es regnete. Im Übrigen hatte ich mittlerweile den Eindruck, dass sich Ollie äußerst ungern zu Fuß bewegte.
Wenigstens hatte die Fahrt noch einen Vorteil: Er konnte nicht weglaufen. Also sagte ich: »Das war vorgestern sehr unschön von Ihnen – mich gleich nach dem Krankenhausaufenthalt derart ins Messer laufen zu lassen!«
Da er nicht antwortete, fuhr ich fort: »Sie haben darauf spekuliert, dass ich noch nicht wieder bei Kräften war.«
Nach dem ersten Glas Veuve Clicquot war mir schwindlig geworden. Dennoch konnte ich mich vage erinnern, dass Duffy mir auf Geheiß der Gräfin ein weiteres Glas eingeflößt hatte. Schließlich hatte mir Ollie ein Stück Papier hingehalten und mich gebeten, es zu unterschreiben. Wenn ich mich nicht irrte, hatte Duffy mir die Hand geführt.
»Wir haben uns so gefreut, Sie wieder in unserer Mitte zu haben«, erwiderte Ollie. »Mag sein, dass wir dabei ein wenig über die Stränge geschlagen haben.«
»Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was aus dem Vertrag geworden ist, den ich unterschrieben habe.«
»Vertrag?« Ollie runzelte die Stirn und übersah geflissentlich eine rote Ampel, während er weiter Gas gab.
»Na, dieses Papierstück.«
»Ach das!« Er schlug sich an die Stirn. »Das war kein Vertrag, sondern nur eine Einverständniserklärung.«
»Einverständniserklärung? Sie reden in fremden Zungen, Ollie.«
»Na ja, während Sie im Krankenhaus weilten, mussten wir handeln. Natürlich verlangte Ihr Gesundheitszustand eine gewisse Rücksichtnahme.«
»Natürlich.«
Ich fragte mich ernsthaft, ob Ollie vielleicht farbenblind war, denn auch die nächste Ampel wurde von ihm ignoriert. »Daher haben wir alles vorbereitet. Sie brauchten nur noch zu unterschreiben.«
Mein Kopf sank auf die Brust. Ich konnte es nicht glauben. Es war nicht nur ein dumpfer Traum gewesen. Ich hatte tatsächlich unterschrieben.
»Kopf hoch, mein Freund, falls Sie in finanzielle Schwierigkeiten kommen, helfen wir Ihnen natürlich – soweit unsere Kräfte das zulassen. Immerhin sind Sie jetzt der Pächter des Hofes. Ich bin gleich gestern zur Bank gefahren, um der liebreizenden Blondine das Schriftstück zu übergeben. Sie hat versprochen, im Gegenzug die gesperrten Konten wieder freizugeben.«
»So schlimm stand es bereits?«
»So schlimm.«
»Apropos schlimm: Wie steht’s eigentlich um Ihre Verlobte?«
»Sie geht nicht ans Telefon.«
»Waren Sie mal bei ihr?«
»Sie macht nicht auf.«
»Haben Sie es über ihren Sender versucht?«
»Seit Tagen ist sie nicht mehr zur Arbeit erschienen.«
Ein Schild zischte an uns vorbei. Es wies zum Parkplatz bei den Externsteinen hin. Ollie bremste scharf, wendete und war ein paar Hundert Meter weiter zum Halten gezwungen. Eine Schranke versperrte die Zufahrt.
»Ich habe leider kein Geld dabei«, entschuldigte er sich und wurde rot. Es war ihm sichtlich peinlich.
Fluchend kramte ich nach einem Ein-Euro-Stück. Er schien wirklich völlig pleite zu sein. Ich hoffte nur, dass das Benzin für die Rückfahrt reichen würde.
Die Schranke öffnete sich, und wir fuhren weiter bergauf. An diesem trüben Morgen hielt sich kaum ein anderer Besucher hier auf. Der Waldparkplatz war so gut wie verwaist. Auch der Kiosk war geschlossen. Das Ausflugsrestaurant schien geöffnet zu sein, denn hinter den Panoramafenstern des weitläufigen Baus nahm ich zwei oder drei schattenhafte Gestalten wahr.
Dies war die hässliche Seite der Externsteine. Insbesondere an den Wochenenden, wenn Busse voller Touristen hier angekarrt wurden, verwandelte sich die Idylle in eine Hölle.
Es gab noch einen Schleichweg, über den man die Externsteine erreichen konnte, aber dieser führte durch die Ortschaft Holzhausen. Ich hatte den Einheimischen ersparen wollen, in den engen Straßen vor Ollies Fahrkünsten die Flucht ergreifen zu müssen.
Während wir den Fußweg entlanggingen, der zu dem Naturdenkmal führte, erklärte ich Ollie die Bedeutung der Sehenswürdigkeit.
Entstanden war diese bizarrste Felsformation Ostwestfalen-Lippes bereits vor siebzig Millionen Jahren. Abwechselnd galt sie mal als keltisches, mal als germanisches Heiligtum. In der Zwischenzeit wurde sie immer wieder zweckentfremdet, sei es von lippischen Fürsten wie dem Landesherrn Graf Hermann Adolf zu Lippe-Detmold, der im siebzehnten
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