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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Sie ein Mann geworden sind.«
    Er ließ meine Hand los. Dann öffnete er die Augen.
    »Schauen Sie dorthin!«, wies ich ihn an.
    Die Stelle befand sich fünfzehn Meter unter uns. Wir hätten sie auch kletternd erreichen können, aber das war viel zu riskant. Man konnte die Flecken auch von hier aus sehr gut erkennen. Weder Regen noch Witterung hatten sie bislang vollständig entfernen können.
    »Ihr Onkel ist von dort aus –« ich zeigte auf den flachen Felsvorsprung, der sich zwei Meter unter uns befand – »gesprungen. Dort, wo die braunen Flecken sind, ist er aufgeschlagen.«
    Nachdem wir wieder im Auto saßen, fragte er: »Was soll ich denn jetzt machen?«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Ich spreche von Steffi. Warum meldet sie sich nicht?« Er setzte eine sorgenvolle Miene auf. »Was ist, wenn ihr etwas passiert ist?«
    »Ach was, einem Besen – ich meine, einer Frau wie ihr passiert schon nichts!«
    »Trotzdem, ich mache mir zunehmend Sorgen um sie ...«
    Plötzlich kam mir eine Idee. »Warum fahren Sie nicht einfach mal bei ihr vorbei?«
    Ollie dachte ein paar Sekunden nach, dann seufzte er: »Aber nur, wenn Sie mich begleiten.«
    Jetzt war es an mir, zu seufzen, aber wo wir schon einmal gemeinsam ein paar Hürden genommen hatten, sollte auch diese Hürde zu bewältigen sein.
    »Wissen Sie denn, wo Steffi wohnt?«
    »Etwas außerhalb in einem Neubaugebiet. In der Nähe von REAL.«
    »Sie waren schon einmal dort?«
    »Mehrmals«, gestand Ollie. »Allerdings nie in ihrer Wohnung. Bereits einen Tag nach unserem Streit bin ich zu ihr gefahren, aber sie hat nicht aufgemacht.«
    Während er redete, hatte er halsbrecherisch gewendet und fuhr jetzt zurück. Im REAL sprang er kurz hinaus und kam mit einem Kaktus zurück.
    »Sie ist ganz vernarrt in diese stacheligen Dinger«, erklärte er.
    Ich konnte es verstehen. Wahrscheinlich hatte sie dabei das Gefühl, in einen Spiegel zu blicken.
    Nach zehn Minuten bog er links ab in die Thusneldastraße.
    Nach ein paar Minuten hatten wir das Haus erreicht. Ollie stellte den Wagen ab.
    Das Haus war dreistöckig. Auf den Klingelschildern standen sechs Namen, einer davon war Steffi Klug.
    Wir klingelten.
    Und warteten.
    Klingelten nochmals.
    Und warteten wieder.
    »Verstehen Sie das?«, fragte Ollie.
    »Nein, aber ich verstehe allmählich, dass Sie sich Sorgen machen.«
    Auch nach dem dritten Klingeln tat sich nichts.
    »Vielleicht ist sie ja wieder an ihrem Arbeitsplatz«, sagte ich.
    Ollie schüttelte den Kopf. »Ich habe mit ihren Kollegen gesprochen. Sie rufen mich an, wenn sie wieder auftaucht.«
    »Oder sie ist verreist.«
    »Dann hätte sie im Sender Bescheid gesagt und ordnungsgemäß Urlaub beantragt.«
    Ich klingelte erneut. Diesmal bei einem oder einer B. Ribbenstrunk.
    Hier hatten wir mehr Glück. Der Summer wurde betätigt. Wir traten ins Treppenhaus. Ein leichter Rübengeruch lag in der Luft.
    Oben lehnte sich eine alte Frau über das Geländer. Sie trug eine geblümte Kittelschürze und eine grau gelockte Perücke. Abweisend schaute sie auf uns herunter.
    »Ich kaufe nichts!«, keifte sie.
    »Wir wollen nicht zu Ihnen, sondern zu Frau Klug«, rief ich hinauf.
    »Die kauft auch nichts!«
    »Wann kommt sie denn wieder?«
    »Das geht Sie gar nichts an!«
    Die alte Dame hatte Haare auf den Zähnen. Dennoch ließen wir uns nicht einschüchtern. Als wir ihre Etage erreichten, hatte sich Frau Ribbenstrunk hinter ihrer Türkette verschanzt und schaute uns durch den Spalt misstrauisch zu, während wir an Steffis Wohnungstür klingelten.
    Von drinnen drang kein Laut heraus.
    Allmählich machte auch ich mir Sorgen.
    »Und wenn sie sich etwas angetan hat?«, fragte Ollie nervös.
    »Ah, jetzt erkenne ich Sie!«, rief die Alte. »Sie sind doch dieser Sittenstrolch, der die letzten Abende hier immer die Straße rauf und runter gefahren ist! Glauben Sie bloß nicht, dass ich Sie nicht gesehen habe! Hinter meiner Gardine entgeht mir nichts!«
    Ollie wurde puterrot. Aber vor Empörung. »Frau Klug und ich sind verlobt!«, entrüstete er sich. »Und ich mache mir ernsthaft Sorgen um sie.«
    Frau Ribbenstrunk gab sich plötzlich kleinlaut. »Aber das konnte ich doch nicht wissen, junger Mann.«
    Sie löste die Kette und ließ uns in ihre Wohnung.
    Der Rübengeruch war hier besonders penetrant.
    Dann begann sie zu erzählen. Es begann ungefähr kurz nach dem letzten Krieg.
    Nach einer Stunde wussten wir, dass sie Steffi seit drei Tagen nicht mehr gesehen hatte und sich ebenfalls

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