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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Jahrhundert ein festungsartiges Jagdschloss direkt an den Felsen errichten ließ; sei es von Heinrich Himmler, der die Externsteine im Dritten Reich zur germanischen Kultstätte umfunktionierte. Oder von der Kirche, die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Anstalten machte, das heidnische Image der Externsteine zu eliminieren, indem sie es verschandelte. Das in einen der Felsen gehauene Kreuzabnahmerelief war das typischste Beispiel dafür.
    Heutzutage waren es neben den Touristen die Esoteriker, die die Steine für sich beanspruchten. Nicht nur anlässlich der Sonnenwendfeiern traf man sie hier an. Und es gab nicht wenige Einheimische, die eher bereit waren, den alten Göttern zu opfern als dem einen Gott.
    Der Major war einer von ihnen gewesen.
    Vor uns tauchten die Steine majestätisch im Blickfeld auf.
    »Allmächtiger!«, entfuhr es Ollie. »Ich habe diese Felsen auf Fotos gesehen, aber dass sie so gewaltig sind ...«
    »Unser Stonehenge«, bekräftigte ich.
    Man sah Ollie die Ehrfurcht an. Seine Schritte wurden bedächtiger, während sein Blick unverwandt auf die Steine gerichtet war.
    »Jetzt verstehe ich meinen Großonkel«, erklärte er ergriffen.
    »Warten Sie nur, bis wir oben sind!«
    »Oben?«
    »Ja, zwei der Felsen kann man besteigen. Eine steinerne Treppe führt hinauf. Und schauen Sie dort oben: Sehen Sie die gewölbte Brücke? Sie führt von einem der Felsen, dem sogenannten Treppenfelsen, direkt in eine Aussichtskammer des Turmfelsens. Von dort werden wir einen einzigartigen Ausblick über Ihre neue Heimat haben, Ollie.«
    »Nicht wirklich. Ich fürchte, Sie werden diesen Anblick allein genießen müssen. Ich bin nicht lügenfrei.«
    »Sie meinen schwindelfrei?«
    »Richtig.
    »Keine Widerrede. Sie kommen mit!«, befahl ich.
    Wir hatten den Zugang zu den Steinen erreicht. In einem winzigen Pförtnerhäuschen saß ein Rentner und verkaufte uns zwei Karten.
    Mein Blick fiel auf ein kleines Schild, das mir mittlerweile bekannt vorkam. Es trug das Signet von Radio Hermann.
    »Sind Sie sicher, dass Sie da hochwollen?«, fragte uns der Herr mit einem Blick auf Ollie, der ein Gesicht aufgesetzt hatte, als würde er ein Schafott besteigen.
    Ich nickte. »Ich übernehme die Verantwortung.«
    Ich machte ihn auf den Aufkleber aufmerksam.
    Er zuckte die Schultern. »Dagegen ist man machtlos. Zum Glück lassen sich die Rechten hier kaum mehr blicken. Denen ist hier zu viel Betrieb.«
    Ich schob ihm einen Zehn-Euro-Schein hin. »Wir sind Geophysiker und wollen uns mal außerhalb der Plattform etwas umsehen.« Ich zeigte ihm die Stelle. »Keine Sorge, wir können auch gut klettern.«
    Als ich noch einen weiteren Zehner zückte, brummte er: »Ist ja heute nicht viel los hier. Aber passen Sie ja auf!«
    Ich nickte und widmete mich wieder meinem Sorgenkind. Ich schob ihn vor mir her, bis wir die schmale, steil nach oben führende Treppe erreichten. Er seufzte und fügte sich. Seine Hände krampften sich an dem eisernen Geländer fest. Seine Beine zitterten.
    Es dauerte zehn Minuten, bis wir endlich oben waren. Ollie war schweißgebadet.
    Vor uns wölbte sich die Brücke.
    »Noch ein paar Schritte, und Sie haben es geschafft«, munterte ich ihn auf.
    »Da hinüber? Nie und nimmer!«
    Unter uns gähnte der Abgrund.
    »Schließen Sie die Augen. Ich halte Sie«, schlug ich vor.
    Er tat es tatsächlich. Ich nahm seine schweißnasse Hand – mit der anderen hielt er sich am Geländer fest – und führte ihn über die Brücke. Er öffnete die Augen erst wieder, als wir in der Turmkammer standen. Es handelte sich um das sogenannte Sacellum. Mystiker vermuteten aufgrund des von Menschenhand geschaffenen runden Durchbruchs ein Sonne- und Mondobservatorium unserer Vorfahren. Auf jeden Fall hatte man von hier oben eine fantastische Aussicht.
    » Unbelievable!« , entfuhr es Ollie. »Ich lebe noch. Ich habe es geschafft!«
    Ich ließ seine Hand los. »Ja, genießen Sie den Ausblick. Dort hinten können Sie sogar den Köterberg sehen.«
    »Ich habe es geschafft!«, wiederholte er freudig erregt. »Moritz, Sie haben mich von meiner Höhenangst befreit.«
    »Das trifft sich gut, denn wir müssen irgendwann auch wieder hinunter. – Und dann«, fuhr ich genüsslich fort, »wenn wir die einhundertdreiundzwanzig Stufen wieder hinuntergeklettert sind, dann ...« Ich machte eine bedeutungsvolle Pause, um mich zu vergewissern, dass er abermals blasser geworden war. »... dann ersteigen wir den Felsen nebenan.«
    » By Jove!«
    »

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