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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Sehen Sie es nicht als Schweigegeld. Ich bezahle Ihnen ganz korrekt die Stunden an Arbeit, die Sie bisher investiert haben. Und lege natürlich noch etwas obendrauf, damit Sie unterm Strich keinen Verlust haben.«
    Er wirkte mir eine Spur zu selbstgefällig.
    »Ich hätte doch gern einen Cognac«, sagte ich.
    Er musste noch nicht einmal aufstehen. Er öffnete eine der Schubladen seines riesigen Schreibtisches, entnahm ihr zwei Gläser und eine halb volle Flasche Hennessy. Er goss den Cognac in die Schwenker und reichte mir einen. Dann hob er das Glas genießerisch zur Nase und atmete den Duft ein. »Ah, herrlich. Zum Wohl, Herr Morgenstern!«
    Ich sah zu, wie er die Augen halb schloss und das Glas an die dicken Lippen setzte. Herr Dr. Haselmann war eindeutig ein Schlemmer und Genießer. Das sah man auch an seinem Leibesumfang. Er erinnerte mich entfernt an Reiner Calmund, nur hatte er noch volles schwarzes Haar.
    Ich nahm einen Schluck, bewunderte die Milde im Abgang und ließ der Wärme in meinem Bauch ein paar Sekunden Zeit, sich zu entfalten, bevor ich einen zweiten Schluck nahm. »Ein edler Tropfen«, stellte ich schließlich fest.
    »XO Methusalem. Es gibt nur dreihundert Flaschen davon. Weltweit.«
    »Und wie viele haben Sie ?«
    Er lachte. Dann verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen. »Worauf wollen Sie hinaus? Direktorium der Zuckerfabrik lebt in Saus und Braus und beutet die armen Bauern aus? Da sind Sie auf dem Holzweg, mein Freund. Also wie viel?«
    »Ich bin nicht käuflich«, erklärte ich ihm. »Ich bin daran interessiert, Licht in ein paar Dinge zu bringen. Haben Sie einen Hund?«
    »Einen Jagdhund, ja. Einen Labrador-Retriever, einen Blendling also, aber einen hervorragenden!« Er hielt mir aus dem Stegreif einen kleinen Vortrag über die Vorzüge von Mischlingen bei der Jagd. »Alles in allem erweisen sie sich als weitaus individueller einsetzbar als Rassehunde, oder nehmen Sie den ...« Er stutzte plötzlich, als ihm aufging, dass er mir auf den Leim gegangen war. »Sie sind nicht hier, um sich mit mir über Hunde zu unterhalten?«
    »In gewisser Weise schon. Mein Hund ist nämlich fast abgestochen worden. Er wollte mir beistehen, als mir vor der Haustür zwei Schläger auflauerten. Seitdem interessiert es mich ganz persönlich, was hier in Lippe plötzlich los ist.«
    »Kann ich nachvollziehen.«
    »Ich frage Sie: Was würden Sie tun, wenn man Ihren Hund fast totsticht?«
    Haselmanns Miene umwölkte sich. »Ich würde meine Jagdflinte nehmen und dem Schurken einen Hausbesuch abstatten – wenn ich denn wüsste, wer es war.«
    »Und wenn Sie nicht wüssten, wer es war?«
    »Ich würde so lange in der Gegend herumfragen, bis ich es herausbekäme. Dann würde ich meine Jagdflinte nehmen und ...«
    »Sehen Sie, genau das ist es, was ich gerade mache.«
    »Sie sind mit der Jagdflinte hier?« Beschwichtigend hob er die Hände. »Guter Mann, ich versichere Ihnen, dass ich nichts mit der Angelegenheit zu tun habe. Im Gegenteil, ich fühle zutiefst mit Ihnen ...«
    »Ich habe keine Jagdflinte«, sagte ich. »Ich stelle zunächst noch Erkundigungen an. Im Übrigen: Mein Hund ist eine Hündin und hört auf den Namen Luna.« Ich reichte ihm ein Foto über den Tisch.
    Er atmete auf und fiel beruhigt wieder in seinen Lehnstuhl zurück. Dann betrachtete er das Foto. »Hübsches Tier«, stellte er anerkennend fest. Dann wurde er wieder geschäftlich. »Jetzt sagen Sie mir endlich, warum Sie hergekommen sind.«
    Ich erzählte es ihm. »Was hat Ihre Zuckerfabrik mit BT NATURE zu tun? Warum steigen Sie plötzlich selbst in die Rübenerzeugung ein und kaufen den Bauern ihr Land ab?«, schloss ich. Das Letztere hatte ich von Armin erfahren.
    Er sah mich lange an, dann schenkte er sich noch einen Cognac ein.
    »Es geht uns gut«, sagte er schließlich. Er deutete auf den Methusalem. »Der sei uns gegönnt. Sie dürfen nicht denken, dass wir ansonsten das Geld verprassen. Wir legen es an, wir investieren, und wir sorgen dafür, dass auch die Bauern gerecht bezahlt werden.«
    »Mir kommen die Tränen.«
    Er funkelte mich wütend an. »Verwechseln Sie uns nicht mit der Milchwirtschaft! Was auf diesem Markt los ist, nenne ich Erpressung und Diebstahl.« Er winkte ab. »Aber das ist eine andere Geschichte. Zweitausendneun war ein Rekordjahr. Da hat von der Aussaat bis zur Ernte das Wetter hundertprozentig mitgespielt.« Er schaute aus dem Fenster. »Ob die Rübenernte dieses Jahr wieder so läuft, weiß niemand.

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