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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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war, Carinna noch einmal zu begegnen. Stahl war mir gleich.
    Ich begab mich gleich in die Küche. Meistens hielt Rolf sich dort auf. Er war am Putzen. Zwei weitere Küchenhilfen gingen ihm zur Hand.
    »Ah, hier putzt der Chef noch selbst«, begrüßte ich ihn.
    Er zuckte mit den Achseln. »Find du mal genügend Mitarbeiter für den Service. Ich bin froh, dass ich immerhin noch die meiste Zeit am Herd stehen kann. Franky, Tina, kommt ihr allein zurecht?«
    Die beiden nickten, und Rolf zog mich mit zur Bar.
    »Hast du Kummer, oder was treibt dich hierher, wenn die Küche geschlossen ist? Einen Whisky on the rocks?«
    Ich nickte.
    »Dann muss dein Problem wirklich groß sein.« Er wusste, dass ich sonst tagsüber normalerweise nie trinke. Er goss den Whisky in ein Glas, warf Eiswürfel hinein und gab es mir. Er selbst öffnete eine Flasche Selters.
    Er nahm das Kopftuch ab, das er um seinen kahlen Schädel geschlungen hatte, und faltete es zusammen.
    »Feierabend«, sagte er.
    »Das glaubst du doch selbst nicht, oder?«
    »Wenigstens für fünf Minuten. Während ich mir die Zeit nehme, mit dir zu plaudern.«
    Er grinste mich an, sodass er aussah wie ein freundliches Teufelchen. Sein blonder Ziegenbart verstärkte diesen Eindruck.
    Ich atmete einmal tief durch und kam zur Sache: »Hast du schon mal das Gefühl gehabt, auf dem Gipfel eines Vulkans zu stehen und in den Schlund hinabzublicken?«
    »So schlimm steht es?«
    Ich nickte. »So schlimm.«
    Er schwieg eine Weile. »Ich nehme an, es hat nichts mit deinen Verletzungen zu tun?«
    »Du nimmst richtig an.« Ich erklärte ihm, wie ich sie mir zugezogen hatte. Viel mehr wollte er nicht wissen.
    »Eine Frau?«
    Ich wiegte den Kopf hin und her. »Vielleicht auch.« Ich dachte an Maren. »Aber deswegen bin ich nicht hier. Ich habe noch ein ganz anderes Problem. Und dabei könntest du mir helfen.«
    Ich erzählte ihm von dem Plan, das Rübezahl wiederzueröffnen.
    Er hörte geduldig zu und sagte schließlich. »Früher bin ich mit meinen Eltern oft dort eingekehrt. Als der alte Besitzer starb, fand sich merkwürdigerweise kein anderer Käufer. Ich hatte immer gedacht, es wäre eine Goldgrube, aber wahrscheinlich lief es doch nicht so gut. Oder nur an den Wochenenden. Dann kaufte es irgendwann der Major ... Trotzdem, bei allem Enthusiasmus: Es wird nicht leicht sein, an die alten Zeiten anzuknüpfen. Die Gastronomie hat sich verändert. Heute muss man den Leuten etwas bieten. Zum Beispiel erstklassige Qualität.«
    Ich trank einen Schluck. Der Whisky brannte höllisch im Magen, mehr als der Cognac. Ich verzog das Gesicht.
    »Eben«, erklärte ich. »An der Qualität soll es ja nicht scheitern, aber ich habe da so meine Zweifel, ob die Kochkünste der Gräfin und von Ollie reichen werden.«
    »Aha«, sagte er – und dann erst einmal nichts. »Allmählich verstehe ich, worum es geht.«
    »Ich brauche deine Hilfe«, erklärte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Ich kann mir doch nicht die eigene Konkurrenz heranziehen.«
    »Du sollst den beiden nur ein bisschen unter die Arme greifen. Mir schwebt da so eine Art Crashkurs vor. Konkurrenz brauchst du von uns nicht zu befürchten. Nachmittags habt ihr sowieso geschlossen. Die Sandwich-Kunden kommen eh nicht zu euch. Und auch für abends visieren wir ein ganz anderes Publikum an. Ihr bietet hier die gehobene neue Küche an – wir orientieren uns mehr an der Hausmannskost. Für die Leute in der Umgebung.«
    Wieder schwieg er eine ganz Weile. Schließlich sagte er: »Besprich das besser mit Maria. Sie ist die Chefin.« Rolf griff zum Handy. Er wählte eine Nummer. Dann sprach er hinein: »Moritz ist hier. Er hat eine Frage an dich. Ja, hier unten in der Bar.« Und er erklärte ihr noch kurz, dass wir das Rübezahl wiedereröffnen wollten und dass wir ihn für einen Crashkurs im Kochen von Hausmannkost bräuchten. Dann legte er auf, ging an mir vorbei und verschwand.
    Es dauerte fünf Minuten, bis sie kam. Als Erstes nahm ich ihr Parfüm wahr. Es war noch immer das Gleiche wie vor fünf Jahren. Ich drehte mich um.
    Natürlich waren wir uns in den letzten Jahren immer mal wieder über den Weg gelaufen. Und immer war es schmerzhaft für mich gewesen. Und für sie sicherlich auch.
    Wenn Rolf nicht wäre, hätte ich den Lipper Hof gemieden wie die Pest.
    Sie sah wie immer hinreißend aus. Die dunklen Haare hielt sie mit einem Stirnband zurück. Trotz der tief umschatteten Augen und den tiefen Kerben um den Mund herum. Sie

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