Blut und Rüben
arbeitete zu viel. Machte sich zu viel Sorgen um das Hotel und das Restaurant. Dabei war sie nur angestellt. Sie hatte keinen Mann, keine Kinder. Dafür wechselnde Verehrer. Einer davon war damals ich gewesen. Nach einer Woche hatte ich gespürt, dass wir nicht zusammenpassten. Das Hotel war ihre wahre Leidenschaft.
»Also, ihr wollt das Rübezahl neu eröffnen und braucht Rolf dazu.« Sie kam näher und setzte sich auf den Hocker neben meinem. »Meinen Segen hast du.«
Als ich fuhr, hatte ich ein schlechtes Gefühl. So als hätte ich sie nur benutzt, um mir einen Vorteil zu verschaffen. Dem war zwar nicht so, aber dennoch fühlte ich mich nicht wohl in meiner Haut.
Ich stellte mir vor, wie die Gräfin und Ollie auf meine eigenmächtigen Anwerbungen reagieren würden. Nun, ich würde es schnell genug erfahren.
Als ich auf den Hof fuhr, herrschte eine ungewohnte Stille und Eintracht.
Niemand lief hin und her. Niemand empfing mich mit schriller Stimme (»Moritz, stellen Sie sich vor ...«).
Dennoch hatte ich das Gefühl, das irgendetwas nicht stimmte. Aber was?
Ich hievte mich aus meinem Volvo. Ich horchte auf meine Knochen. Nichts, was im Moment noch schmerzte.
Bis auf die Seele.
Ich scheuchte den Gedanken fort, konzentrierte mich auf die Gegenwart.
Was blieb, war die Stille. Ein Gefühl von Déjà-vu. Meine Befürchtung wuchs.
Nachdem ich ausgestiegen war, schaute ich mich um. Ollies Morgan stand auf seinem Platz, also war er auch hier.
Und dann wusste ich plötzlich, was nicht stimmte!
Luna! Normalerweise hörte ich sie bellen, wenn ich in den Hof fuhr. Wenn sie nicht sowieso frei herumlief und mich kläffend begrüßte.
In letzter Zeit hatte ich sie in der Wohnung gelassen – sicher ist sicher. Dennoch hätte ihr Gebell nach draußen dringen müssen.
Ich hatte es plötzlich sehr eilig, den Haustürschlüssel hervorzukramen. Das Futter der Jackentasche hatte ein Loch. Der Schlüsselbund war hindurchgerutscht. Ich hatte wenig Geduld. Ich zerriss das Futter ganz, um an die Schlüssel zu gelangen.
Als ich aufschloss, lag ein eigenartiger Geruch in der Luft.
Der Geruch von Angst. Und Schweiß. Angstschweiß.
Ich spürte, wie ich mich verkrampfte. Ich musste an die Schläge denken. Jetzt spürte ich die pochenden Rippen wieder.
Was, wenn die Schläger in meiner Wohnung waren?
Luna war irgendwo, aber nicht in der Wohnung. Sie wäre mir längst entgegengelaufen gekommen. Ich musste schlucken und spürte, dass meine Mundhöhle knochentrocken war.
Vorsichtig ging ich die Treppe hinauf. Die Wohnungstür stand ein Stückweit offen. Als ich sie ganz aufstieß, überlagerten sich für einen Sekundenflash Realität und Erinnerung. Ich sah die Wohnung verwüstet – wie beim letzten Mal.
Die Wirklichkeit war anders. Diesmal hatten die Täter nichts zerstört. Sie hatten alles so gelassen, wie es war.
Nur Luna hatten sie mitgenommen.
Ich suchte die ganze Wohnung ab, schaute sogar hinter den Vorhängen und unter dem Bett nach.
Sie blieb verschwunden.
Ich setzte mich auf das Sofa, ich war fertig. Fix und fertig. Die Sorge krampfte mir den Magen zusammen, als hätte sich dort ein Geschwür eingenistet.
In dem Moment läutete das Telefon. Ich ließ es dreimal klingeln, bevor ich abnahm. Meine Finger waren feucht.
»Morgenstern.«
Noch bevor ich die Stimme hörte, wusste ich, was sie wollte.
»Wir haben deine Töle. Du lässt ab sofort das Schnüffeln sein, sonst machen wir Hackfleisch aus deinem Kläffer.«
Die Stimme klang verzerrt und metallisch. Dennoch kam sie mir irgendwie bekannt vor ...
»Hast du mich verstanden?«
»So in etwa.« Ich erkannte meine eigene Stimme nicht wieder. Sie klang rau und belegt.
»Willst du deinen Liebling mal sprechen?«
Ich vernahm ein Winseln, das plötzlich in ein hohes Fiepen überging, bevor es unvermittelt erstarb.
»Ich habe verstanden!«, sagte ich rasch. »Ich schnüffle nicht mehr herum. Ich mache gar nichts mehr.««Das ist fein.«
»Was ist mit Luna?«
»Die kriegst du wieder. Montagmorgen. Aber nur, du weißt ja ...«
Bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte der andere aufgelegt.
Das Telefon klingelte erneut. Ich schaute auf das Display. Im Gegensatz zum vorherigen anonymen Anrufer erkannte ich die Nummer. Es war Ollie.
Diesmal nahm ich sofort ab.
Ein paar Sekunden lang sagte er nichts. Dann brach es aus ihm heraus: »Steffi! Sie ist entführt worden!«
Ich legte auf und lief zu ihm hinüber. Ich traf ihn in seinem Zimmer an, das er sich
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