Blut und Rüben
provisorisch eingerichtet hatte. Es sah chaotisch aus, aber das war nicht das Entscheidende. Das Entscheidende war Ollie, der wie ein Häufchen Elend auf der Kante des Bettes saß.
Ich setzte mich zu ihm. »Sind Sie sicher, dass sie entführt wurde?«
Er nickte und schniefte. »Vor zwei Stunden habe ich noch einmal in ihrer Redaktion angerufen. Nach wie vor wusste niemand, wo sie ist. Und dann habe ich den Anruf bekommen ...«
»Sagen Sie nichts! Der Anrufer sprach mit verzerrter Stimme?«
Er nickte. »Ich habe ihn erst nicht verstanden. Dann sagte er mir, dass er Steffi entführt hätte. Er verlangt – er verlangt zwei Millionen Euro.«
»Zwei Millionen? Das ist Wahnsinn.«
»Danke, mein Freund, dass Sie mich aufmuntern.«
»So war das nicht gemeint. Aber niemand wird uns zwei Millionen leihen. Haben Sie die Polizei benachrichtigt?«
»Die Polizei? Jesus! Er wird sie umbringen, hat er gesagt, wenn ich auch nur zum Hörer greife ...«
Ich erhob mich und ging im Zimmer auf und ab.
»Luna haben sie auch entführt.«
»Luna? Oh, das tut mir leid.« Er wirkte nicht wirklich betroffen, aber das konnte ich ihm nicht verdenken.
»Wahrscheinlich ist das Lösegeld für Luna in Ihrem gleich mit drin. Wie kommen die Entführer auf die Idee, Sie hätten zwei Millionen auf der hohen Kante?«
Er zuckte mit den Schultern. Dann sank er weinend in sich zusammen.
Ich ließ ihm Zeit. Nach fünf Minuten konnte er wieder sprechen. »Ich bin schuld«, sagte er. »Ich hätte an ihrer Seite bleiben müssen, dann wäre das nicht passiert. Moritz, Sie müssen mir helfen, das Geld zu besorgen!«
»Niemand ist schuld«, sagte ich. »Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen. Das sind Verbrecher, mit denen wir es hier zu tun haben. Noch einmal gefragt: Wie kommen die auf zwei Millionen?«
»Der Mann sagte, ich soll mich endlich von dem Ackerland trennen. Den passenden Käufer würde ich ja kennen ...«
Ich pfiff durch die Zähne. »Das ist ja interessant. Also weiß er von Ihrem Fund? Wem haben Sie eigentlich davon erzählt?«
»Nur Ihnen, Duffy und der Gräfin«, schniefte er.
»Von uns hat es sicherlich keiner ausgeplaudert. Aber wer weiß, was der Major so herumerzählt hat ...«
Trotzdem war es merkwürdig. »Sagen Sie, Ollie, Sie haben neulich nur zwei Pächter erwähnt. Wer ist eigentlich der dritte?«
»Ich habe mir den Namen nicht gemerkt. Ich müsste nachschauen. Aber was hat das mit Steffi zu tun?«
»Nicht mit ihr. Aber vielleicht mit ihren Entführern. Zeigen Sie mir bitte die Verträge.«
Ollie erhob sich und ging zum Schreibtisch. Er gab eine klägliche Figur ab. Sein Gesicht war gerötet, die
Augen waren verquollen. Die sonst so akkurat gescheitelten Haare standen wirr vom Kopf ab. Ein
Hemdzipfel schaute aus der Hose.
Auf dem Schreibtisch hatten sich etliche Stapel angesammelt. Die meisten Unterlagen stammten
wahrscheinlich noch aus dem Nachlass des Majors. Schließlich zog Ollie einen Schnellhefter hervor. Darin
befanden sich die Pachtverträge.
Als er mir die Namen nannte, stutzte ich.
Und plötzlich wusste ich, wer Luna entführt hatte.
IV. B LOSSSTELLUNG
Lirum, larum, Löffelstiel!
Passt auf, ich weiß ein neues Spiel!
(Christian Morgenstern)
Sie hörte sie miteinander reden.
»Sie muss hier weg!«, sagte der Alte.
»Warum? Sie ist doch hier gut aufgehoben.«
Sie kannte die eine Stimme. Mit Stimmen kannte sie sich aus. Und sie vergaß nie eine.
»Ich weiß nicht ... Ich kenne ihn, er ist wie eine Zeitbombe, die jederzeit losgehen kann, verstehst du?«
»Du meinst, er könnte ihr was antun?«
»Ich mache mir wirklich Sorgen um die Frau ...«
Der andere kicherte. »Besser, er treibt seine Spielchen mit ihr als mit dem Hund.«
»Der Köter? Dir macht der Köter Sorge? Was bist du denn für’n Mensch?«
»Halt die Klappe, ich muss nachdenken.«
Der andere ging auf und ab. Die Schritte waren direkt über ihr. Dann sagte er etwas, was sie nicht verstand.
»Wo ist er jetzt?«
»Mal kurz weg, was weiß ich.«
Dann ertönten wieder die Schritte.
Sie konnte sich nicht rühren. Das Schwein hatte sie an einem Eisenring festgemacht, der in die Wand eingelassen war. Ihr Mund war mit breitem Klebeband verschlossen. Erst hatte sie gedacht, sie müsste ersticken. Mittlerweile kam ihr das Atmen durch die Nase schon ganz natürlich vor.
»Ich hol den Wagen; pass auf, dass sie dich nicht erkennt«, mahnte der, dessen Stimme sie kannte.
Ein Loch öffnete sich über ihr. Nur ein matter
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