Blut und Silber
auch wenn es ein etwas wehmütiges Lächeln war.
»Und ich fragte mich, ob Gott vielleicht will, dass ich hier in Thüringen regiere und mit dir eine große Kinderschar zeuge, statt wieder in den Kampf zu ziehen.«
Friedrich richtete sich auf und breitete die Arme aus. »Aber dann …«
» … musstest du daran denken, was wohl der König von deinem unberechenbaren Vater will«, führte sie seinen Satz zu Ende. Sie stand auf und legte das schlummernde Kind in die Wiege.
»Vielleicht hätte ich doch zum Hoftag reiten sollen. Mein Vater hat jegliche Willenskraft verloren und schwankt wie ein Blatt im Wind. Wenn der König etwas von ihm fordert, wird er widerstandslos gehorchen.«
»Wart ihr – du und dein Bruder – euch nicht einig, den König zu meiden? Der Habsburger hat doch auch nur deinen Vater nach Fulda befohlen«, versuchte Elisabeth, seine Bedenken zu zerstreuen.
Sie fürchteten immer noch Unheil aus dem Vertrag, den der alte Landgraf vor zwölf Jahren mit Adolf von Nassau geschlossen hatte. Albrecht von Habsburg hatte zwar seit seiner Thronbesteigung durch nichts erkennen lassen, dass er diesen Vertrag auch auf sich beziehen würde. Im Gegenteil, er hatte Adolfs Statthalter Gerlach von Breuberg abgesetzt und keinen neuen ins Amt berufen. Doch mit dem kürzlichen Tod des Mainzer Erzbischofs Gerhard II ., den der Habsburger nicht verärgern durfte und der selbst Interesse an Thüringen gehabt hatte, war eine neue Lage eingetreten.
Elisabeth richtete sich auf und drückte das Kreuz durch, das nach der Schwangerschaft immer noch häufig schmerzte. Dann schenkte sie sich und ihrem Mann Wein nach.
»Wir können nur beten, dass der Friede dieses wunderbaren Augenblicks anhält«, sagte sie leise. Sie streckte zaghaft die Hand aus, um sie ihrem Mann an die Wange zu legen, und er umschloss sie zärtlich mit seiner beinahe doppelt so großen Hand.
Ein ungeduldiges, energisches Klopfen von draußen ließ sie auseinanderfahren wie ertappte Sünder. Sie sahen sich an und dachten beide das Gleiche: Wenn jetzt jemand so ungestüm an diese Kammer pochte, in die sie sich zurückgezogen hatte, dann brachte er Nachrichten, die keinen Aufschub duldeten. Und wahrscheinlich waren es keine guten.
Ulrich von Maltitz stand, lässig an eine Mauer gelehnt, auf dem Burghof und schaute den Knappen bei ihren Waffenübungen zu. Er hatte sich aus dem für die Ritter bestimmten Saal verzogen. Zum Schachspielen fühlte er sich zu unruhig, die üblichen Prahlereien der Männer über ihre Liebesabenteuer und längst vergangene Scharmützel ödeten ihn an wie fast alles, seit sie hier in Thüringen festsaßen. Vielleicht würde er nachher ausreiten. Das Wetter lud dazu ein: blauer Himmel, Sonnenschein und leichter Wind.
Der für seine Strenge gefürchtete alte Waffenmeister ließ gerade die Knappen mit stumpfen Übungswaffen aufeinander einschlagen und sah wie stets hinlänglich Grund, sie für ihr Unvermögen zu schelten. Die Burschen würden sich zwar auch ohne seine harschen Worte durch die blauen Flecken an ihre Fehler erinnern, doch es konnte nie schaden, ihnen immer wieder vor Augen zu halten, dass die geringste Unaufmerksamkeit sie im Ernstfall das Leben kosten konnte.
Die phantasievollen und ausdrucksstarken Tiraden des alten Kämpen brachten sogar Ulrich zum Grinsen. Das hier war eindeutig unterhaltsamer als die Schachpartien drinnen, und hier würde er sich nicht den Hintern wund sitzen. Neuerdings musste er sich ab und zu an seine eigene Knappenzeit erinnern und daran, wie schwierig es war, unter so vielen zu bestehen, die älter, erfahrener und als Ritter unantastbar waren, selbst wenn ihre Verfehlungen zum Himmel schrien.
»Maltitz, wollt Ihr diesen faulen, unverbesserlichen Dummköpfen nicht einmal zeigen, dass ein Schwert nicht zum Holzhacken gedacht ist?«, fragte der Waffenmeister.
Ulrich stieß sich von der Mauer ab und ließ sich ein stumpfes Übungsschwert geben. Seine gelegentlichen Vorführungen vor den Knappen und auch dieser und jene freundschaftliche Zweikampf mit den thüringischen Rittern hatten ihm rasch einen besonderen Ruf auf der Wartburg eingebracht. Deshalb sahen ihn die Knappen auch erwartungsvoll an – froh über die kurze Unterbrechung und gespannt darauf, was er ihnen diesmal zeigen würde.
Er winkte einen der älteren Jungen heran, von dem er wusste, dass dieser gern prahlte, wenn er unter seinesgleichen war. Der Bursche – der Freund von Ulrichs jetzigem Knappen, der Roland hieß
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