Blut und Silber
neuer Krieg bevor, hier, in Thüringen. Da dachte ich, ganz gleich, wo wir kämpfen, der Feldscher braucht immer Hilfe …«
Wieder umfasste er ihren Kopf mit beiden Händen und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen.
»Es kommt mir vor wie ein Traum …«, flüsterte er, immer noch fassungslos. »Wie ein Traum nach all den Jahren …«
Vorsichtig löste sie sich von ihm. »Vielleicht wollt Ihr lieber eine Jüngere, die Euer Lager teilt«, wandte sie nüchtern ein.
Sie zählte nun fast dreißig Jahre – ein Alter, in dem die meisten Frauen durch die harte Arbeit und die vielen Schwangerschaften verlebt und verbraucht waren. Ihr Körper war zwar noch mädchenhaft schlank; nach der Brutalität der rheinischen Söldner, die sie vor ihrer Ankunft in Freiberg durchleiden musste, konnte sie keine Kinder empfangen. Doch eine Frau von dreißig war alt, da ein Mädchen mit zwölf Jahren als heiratsfähig galt.
Ulrich ignorierte ihren Einwand.
»Ich habe nie eine Frau so begehrt wie dich«, raunte er ihr ins Ohr. Am liebsten hätte er sie in einen dunklen Winkel gezogen und ihr auf der Stelle den Rock hochgeschoben. Davon hielt ihn nur noch der Teil seines Verstandes ab, der ihm sagte, dass er wohl gleich zu Friedrich gerufen würde. Ruhelos und fordernd strichen seine Hände über ihre Brüste, während er ihren Hals und ihren Nacken küsste. Selbst durch die zwei Lagen Stoff von Kleid und Unterkleid konnte er spüren, wie sich ihre Brustwarzen verhärteten.
»Ich will wissen, wie es dir ergangen ist«, flüsterte er heiser. »Ich will dich spüren, deine Hände auf meiner Haut fühlen. Ich will deine Stimme hören … wie du singst … wie du lachst … wie du vor Lust stöhnst, wenn ich dich berühre … und diese kleinen spitzen Schreie, wenn ich in dich stoße …« Allein die Vorstellung brachte ihn beinahe um den Verstand. Glücklich schlang sie ihre Hände um seinen Nacken. »Liebster!«, flüsterte sie – so wie damals in Prag.
Aber diesmal klang nicht Abschied aus ihren Worten, sondern unbändige Freude über das Wiedersehen. Alle ihre Bedenken waren fortgewischt – ob er sie noch begehrte und dass es keine glückliche Liebe zwischen einem Ritter und einer Gauklerin geben konnte. Alle Demütigungen der letzten Jahre schienen vergessen.
Was kümmerte es sie in diesem Augenblick, ob der Anführer ihrer Spielmannsgruppe noch Anspruch auf sie erhob und dass es Unzucht war, ohne das Sakrament der Ehe das Lager zu teilen? Kampf stand bevor, vielleicht waren ihrer aller Tage gezählt. Und so wollte sie die letzte Zeit, die ihr vielleicht auf Erden bemessen war, mit dem Mann verbringen, dem ihre ganze Liebe gehörte.
Ein Diener hatte sich unbemerkt genähert und hüstelte überdeutlich. Ulrich drehte sich zu ihm, ohne die Hände von Sibylla zu nehmen. Er wusste, was der Mann gleich sagen würde, und es wäre ungerecht, ihn dafür zu schelten. Er erfüllte nur seinen Auftrag.
Der Diener war nach Kräften bemüht, sich nichts von seinem Befremden darüber anmerken zu lassen, dass hier ein Ritter am helllichten Tage die Regeln der Tugend und der Maze vernachlässigte. Dieser Maltitz war zwar nicht der Einzige unter den Edelleuten, der es damit nicht so genau nahm. Nur hatte er
ihn
noch nie dabei gesehen, dass er quasi in aller Öffentlichkeit die Finger nicht von einem liederlichen Weibsbild lassen konnte. Denn das war die Schwarzhaarige ohne Zweifel angesichts dessen, wie sie sich gerade aufführte und dass sie ihr Haar unbedeckt trug, obwohl sie gewiss keine Jungfrau mehr war. Aber es stand ihm nicht zu, über das Treiben der Ritter zu richten, und wenn er klug war und seine Stellung behalten wollte, ließ er sich besser nichts von seinen Gedanken anmerken.
»Herr von Maltitz, Fürst Friedrich wünscht Euch zu sehen«, richtete der Diener aus. »Die …« – er suchte nach einer Bezeichnung, die den Ritter nicht wütend stimmen würde – »… Frau … soll ebenfalls kommen.«
Die Runde war auffallend klein: Friedrich, seine Frau und Herrmann von Goldacker warteten bereits in der Kammer. Die ältere Elisabeth, die Gemahlin des alten Landgrafen, betrat kurz nach Ulrich und Sibylla den Raum und versuchte, die Gesichter derer zu erforschen, die um sie herumsaßen.
»Die schlechten Neuigkeiten sind schnell erzählt«, begann Friedrich düster.
»Der König fordert Thüringen von meinem Vater zurück. Zwei Komture des Deutschritterordens werden in wenigen Tagen hier eintreffen, um in seinem
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