Blut und Silber
treffen.
Doch es stand schlimm in den einst wettinischen Gebieten. Niedergebrannte Häuser und Scheunen, geplünderte Dörfer kündeten von der Erbarmungslosigkeit, mit der Albrechts Befehlshaber regierten, der Truchsess Heinrich von Nortenberg und der königliche Landrichter Engelhard von Bebenburg. Die Menschen fürchteten sich. Immer mehr Städte hatten aus Angst vor den Gefolgsleuten des Königs widerstandslos die Tore geöffnet, um nicht niedergebrannt oder bis aufs Letzte ausgeplündert zu werden.
Aber dann erreichte sie der Hilferuf der Landgräfin von Thüringen. Friedrich war hin- und hergerissen. Aus militärischer Sicht hätte er die östlichen Gebiete nicht verlassen dürfen, zumal die Hauptmacht des königlichen Heeres wegen des zeitig hereingebrochenen Winters inzwischen abgezogen war. Nur ein Teil überwinterte unter dem Befehl Heinrichs von Nortenberg. Der einstige Markgraf von Meißen hätte diese Lage nutzen müssen, um seine wiedergewonnenen Positionen zu sichern und auszubauen. Doch Frau und Kind konnte er nicht ihrem Schicksal überlassen. Also gab er die schon eroberten Posten auf und kehrte zurück nach Thüringen – sehr zum Verdruss von Markus, der insgeheim gehofft hatte, endlich Änne wiederzusehen. Stattdessen stand er nun hier, unterhalb der Wartburg, und wartete darauf, dass sie den Berg hinaufstürmten.
Wie es wohl Lena und Franz dort oben erging?
Markus fragte sich, was ihn mehr stören würde: wenn Lena ihn in ihrer Eifersucht erneut mit Vorwürfen überhäufte oder wenn sie sich ihm freudestrahlend an den Hals warf. Solange sie und der Junge wohlauf waren, wäre es ihm am liebsten, sie ginge ihm künftig aus dem Weg.
Bald gab er es auf, darüber nachzugrübeln. Falls die Verstärkung aus Braunschweig nicht bald kam und sie sich allein durchschlagen mussten, konnten sie froh sein, wenn die Hälfte von ihnen überlebte.
Markus war gerade bei diesem Gedanken angelangt, als plötzlich Bewegung ins Lager kam. Pferde wieherten, Männer sprangen auf und liefen beiseite, um Platz zu machen für die Neuankömmlinge, die dicht hintereinander in die Schlucht drängten, bis das Durcheinander perfekt schien. Dann teilte sich die Menge, um einen stämmigen, kraftvoll wirkenden Mann im roten Wappenrock mit zwei übereinandergesetzten goldenen Löwen durchzulassen.
Heinrich von Braunschweig war um einiges fülliger geworden, seit Markus ihn vor Jahren in Prag gesehen hatte, sein Haar war ergraut, doch der Welfenfürst strahlte immer noch die gleiche lärmende gute Laune aus wie damals.
»Das ist doch eine Sache so ganz nach meinem Geschmack!« Mit ausladenden Schritten und fröhlicher Miene stapfte der Herzog von Braunschweig auf Friedrich zu. Er umarmte ihn, klopfte ihm mit seiner fleischigen Pranke auf den Rücken und packte ihn dann bei den Oberarmen.
»Nun schau nicht so ernst, Schwager! Zusammen befehligen wir jetzt mehr als dreihundert Ritter. Das wird ein Kinderspiel! Noch bevor sich die Eisenacher morgen früh den Schlaf aus den Augen reiben, hältst du wieder Frau und Kind in den Armen.«
Er lachte lauthals, dann grinste er Friedrich belustigt an. »Vielleicht zeugst du zur Feier des Sieges den nächsten Sohn? Deine Frau soll sich ein Beispiel an deiner Schwester nehmen – die hat mir brav Jahr für Jahr ein Kind geschenkt. Ein Prachtweib! Ich habe es keinen Tag bereut, sie gefreit zu haben. Sie lässt dir übrigens ergebene Grüße ausrichten.« Allmählich entspannten sich auch Friedrichs Züge. Der unbekümmerten Ausstrahlung des lebens- und rauflustigen Herzogs von Braunschweig konnte auch er sich nicht ganz entziehen. Der Mann seiner Schwester war schon zu Lebzeiten eine Legende. Er ließ keine Gelegenheit aus, in einem Kampf mitzumischen, war ständig in Geldnöten und stiftete trotzdem ein Kloster nach dem anderen, um Vergebung für seinen ansonsten nicht übermäßig frommen Lebenswandel zu finden. Seine Beliebtheit erklärte sich wohl auch durch die unzähligen Geschichten darüber, wie er mit fröhlicher Unbekümmertheit über jedes Hindernis hinwegrollte, das sich ihm in den Weg stellen wollte.
»Ich bin nur froh, dass du mich nicht Bruder genannt hast«, ging Friedrich auf den Ton des anderen ein und verzog zynisch den Mundwinkel. »In letzter Zeit hatte ich wenig Glück mit Männern, die mich Bruder nannten.«
Dann wurde seine Miene wieder ernst. »Und ich weiß es zu schätzen, dass du mir mit deinen Männern beistehst – gegen den König.«
Der Herzog
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