Blut und Silber
stürzen.
»Erweise deinem Herrn gefälligst den Respekt, Weib!«, schnauzte der Folterknecht.
Zitternd vor Kälte und Entsetzen, lag Änne mit ausgebreiteten Armen auf dem schmutzigen Boden und wagte nicht, sich zu rühren.
Was erwartete dieser Teufel von ihr? Was konnte sie tun, um Marsilius zu helfen? Sollte sie um Gnade flehen? Sich aufrichten und sich verneigen oder zu seinen Füßen liegen bleiben? Sie spürte den Blick des Vogtes auf sich und entschied, in ihrer unbequemen Lage zu verharren, solange er ihr nichts anderes befahl. Was sie auch sagte und tat oder nicht tat – es konnte alles falsch sein und zur Folge haben, dass ihr Mann oder auch sie im nächsten Augenblick getötet wurden.
Marsilius war es, der das Schweigen brach.
»Ich flehe Euch an, Herr, lasst mein Weib gehen. Sie hat nichts mit dem zu tun, was Ihr mir vorwerft!«
Seine Stimme klang rauh, er spie Blut aus.
»Dachte ich mir doch, dass dich die Anwesenheit deines Weibes gesprächiger macht«, antwortete der Vogt erfreut. »Soll ich sie Ordulf überlassen? Oder meinen Wachen als Zeitvertreib?«
Änne wurde von dem Folterknecht auf die Knie gezerrt. Der Fleischberg drückte ihr eine Hand auf die Schulter, mit der anderen näherte er das glühende Eisen ihrem rechten Auge. Sie zuckte zurück, doch Ordulfs Linke packte sie im Nacken, und seine Rechte hielt ihr das Eisen weiter vors Gesicht. Bald glaubte sie, die Hitze würde ihr den Augapfel austrocknen.
»Sie ist unschuldig!«, schrie Marsilius und versuchte unter Qualen, wieder auf die Knie zu kommen.
»Natürlich ist sie das«, meinte der Vogt verächtlich. »Auch wenn man Weibern nie trauen darf – sich in Verschwörungen zu verstricken, das dürfte ihren Verstand bei weitem überfordern.«
Er musterte Änne mit leicht zur Seite geneigtem Kopf. »Das soll mich aber nicht davon abhalten, sie für dein Verbrechen mit zu bestrafen, wenn ich dazu Lust verspüre.«
»Gnade!«, flehte Marsilius und stöhnte auf. »Bitte, lasst sie gehen, Herr! Sie ist unschuldig!«
Der Vogt gab seinem Folterknecht ein Zeichen, das Eisen wegzuziehen. Änne sackte in sich zusammen.
»Es heißt, die Rothaarigen seien im Bett besonders heißblütig. Ich könnte sie gleich hier vor deinen Augen besteigen. Wie würde dir das gefallen, alter Mann?«
»Lasst sie gehen, und ich gestehe, was Ihr hören wollt«, ächzte Marsilius zu Ännes Bestürzung.
»Ich gestehe … Ich bin ein heimlicher Anhänger des Hauses Wettin … Ich habe keine Mitverschwörer und Mitwisser … Aber ich habe mich in Gedanken gegen den von Gott gewollten König gewandt …«
»Wusste ich es doch!« Der Graf lächelte und zog die Augenbrauen hoch.
»Ihretwegen nimmst du das Todesurteil in Kauf? Ich bin gerührt.« Er streckte die Beine aus und räkelte sich in seinem Stuhl. »Ich habe es gar nicht nötig, mir eine Frau mit Gewalt gefügig zu machen, auch wenn ich es jederzeit könnte«, meinte er abfällig. »Sie wird freiwillig alles tun, damit ich zufrieden bin – aus Furcht, und um dich vor dem Galgen zu retten. Nicht wahr, Weib?«
»Das wird sie nicht!«, brüllte der Arzt, als Änne zitternd nickte. Dabei musste sie an die Hure denken, der der Vogt vor ein paar Tagen Ohren und Nase abschneiden ließ, weil er mit ihr nicht zufrieden gewesen war.
»Du hast die Wahl, Weib: Du kannst ungehindert nach Hause gehen, und dein Mann kommt morgen an den Galgen. Oder du erwartest mich oben in meiner Kammer.«
»Das tust du nicht!«, schrie Marsilius Änne an. »Hörst du, ich verbiete es dir, auf diese Art um mein Leben zu betteln!«
»Das ist nun mal die Art, auf die junge, hübsche Frauen um das Leben ihrer Männer bitten«, belehrte ihn der Vogt. »Vielleicht sehnt sie sich sogar danach, endlich einmal einen kraftvollen Mann zwischen den Schenkeln zu haben. Wenn ich mit ihr fertig bin, wird sie mich auf Knien anflehen, wieder in mein Bett kommen zu dürfen.«
»Das tust du nicht!«, schrie Marsilius noch einmal, und seine Stimme brach. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er sich an die Seite und sackte zusammen.
»Schaff sie hoch!«, befahl der Vogt dem Mann, der Änne hierhergeführt hatte. »Du bringst sie gemäß ihrem eigenen Wunsch zum Tor oder in meine Kammer.«
Zu Änne gewandt, sagte er: »Entweder du wartest dort auf mich, und zwar auf Knien, nackt und mit unbedecktem Haar, oder du bist morgen Witwe.«
Lässig wedelte er mit der Hand zum Zeichen, die Frau des Gefangenen fortzuschaffen.
»Ordulf soll dich nach
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