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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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der Leiter gestürzt und doch noch zu Tode gekommen wäre.
    »Was hast du getan, Weib?«, schrie er hasserfüllt zu Änne.
    »Was hast du getan?! Ich verfluche dich!«
     
    Nachträglich betrachtet, schien das Verhängnis mit der Ankunft des blonden Burgvogtes seinen neuerlichen Lauf genommen zu haben, der so oft lächelte, während er die grausamsten Befehle gab, und der es liebte, seine Kleider mit Duftwasser zu benetzen.
    Und seit der Krieg im Land mit neuer Wucht entflammt war, spitzte sich auch die Lage in der Silberstadt zu. Je mehr Orte in Flammen aufgingen, umso mehr Notleidende und obdachlos Gewordene suchten hier Zuflucht. Täglich erreichten neue Schreckensmeldungen Freiberg. Bis kurz vor Dresden waren alle wettinischen Besitzungen niedergebrannt oder verwüstet, Dörfer, Mühlen, Meierhöfe … Nicht einmal Kirchen blieben verschont. Die Überlebenden – den Hungertod vor Augen, geschunden, verstümmelt – hofften auf Schutz und Hilfe hinter den wehrhaften Stadtmauern Freibergs.
    Conrad Marsilius, schon lange kein Ratsherr mehr, und Pater Clemens wurden täglich mit den schlimmen Folgen konfrontiert, die dieser Krieg mit sich brachte. Mehrfach hatten sie vor dem Rat Vorschläge unterbreitet, wie man den Bedürftigen helfen und eine Hungersnot in der Stadt verhindern konnte. Ihre Worte verhallten ungehört.
    Also ließen sie sich bei Vogt Reinold melden, um an dessen Vernunft zu appellieren. Dass sie bei ihm auf Barmherzigkeit nicht hoffen durften, war ihnen klar. Einen halben Tag lang mussten sie auf der Burg warten, bis sie endlich vorgelassen wurden. Doch der Graf schnitt ihnen schon nach den ersten Sätzen mit einer Handbewegung das Wort ab.
    »Der Abschaum, von dem Ihr redet, Pater, verdient weder Hilfe noch Nachsicht«, sagte er herablassend, während er sein Übergewand zurechtzupfte. »Das sind Anhänger des abtrünnigen Wettiners, mit dem unser König Albrecht von Habsburg – Gott preise ihn dafür! – nun endgültig aufräumt. Es sind Verräter am König. Jedem Einzelnen von ihnen gebührt der Tod.«
    »Hoher Herr, verzeiht mir gütigst diesen Einwand, aber wir reden hier nicht von bewaffneten Kämpfern«, wagte der Pater zu widersprechen. »Es sind einfache Bauern, denen die ganze Habe niedergebrannt und das Vieh abgestochen wurde, Frauen, die mit ihren Kindern auf dem Arm hierher flüchteten und nicht wissen, wie sie die Kleinen vorm Hungertod retten sollen. Ich appelliere an Eure Barmherzigkeit, wie Gott sie uns allen gebietet.«
    »Außerdem müssen wir Vorkehrungen treffen, damit angesichts des Krieges nicht noch in der Stadt eine Hungersnot ausbricht«, fügte Marsilius hinzu. »Eure Männer sollen schließlich nichts entbehren.«
    Der Vogt, der eben noch gelangweilt seine Fingernägel betrachtet hatte, neigte den Kopf leicht zurück und fixierte den Medicus.
    »Verstehe ich das richtig, alter Mann? Du sagst mir ins Gesicht, dass Korn und Fleisch für meine Männer knapp werden könnten, weil das wettinische Verräterpack durchgefüttert werden muss?«
    Er legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander und setzte sein gefürchtetes Lächeln auf. Marsilius und Pater Clemens hielten den Atem an.
    »Nun, wenn ihr beide meint, dafür seien die Vorräte groß genug in der Stadt, bringt mich das auf den Gedanken, mit diesen Reserven etwas zur Stärkung des königlichen Heeres zu leisten. Ich werde Befehl geben, damit meine Männer umgehend in den Mühlen, in den Ställen und in den Bürgerhäusern ein Dutzend Wagenladungen Korn, Vieh und Wein requirieren. Das wird Freibergs Beitrag zur Niederschlagung der Rebellen. Der König wird sich meiner dankbar erinnern, sobald er den Krieg gewonnen hat.«
    Fassungslos sahen sich die beiden Bittsteller an.
    »Meinen innigen Dank für diesen Vorschlag!« Mit einem lässigen Wedeln seiner ringgeschmückten Hand beendete der Vogt die Audienz.
     
    Die nun folgenden Plünderungen der königlichen Besatzer waren der sprichwörtliche Tropfen, der in Freiberg das Fass zum Überlaufen brachte. Seit Wochen schon kursierten Gerüchte, dass Markgraf Friedrich in Leipzig ein Heer aus Freiwilligen sammle, um das blutige Treiben des königlichen Statthalters und seiner Truppen im Pleißenland, im Osterland und in der Mark Meißen aufzuhalten. Und immer mehr Freiberger – vor allem Burschen und junge Männer, da die Überlebenden der früheren Stadtwache längst fort waren – beschlossen, die Stadt heimlich zu verlassen und sich dem einstigen Markgrafen

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