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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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dem Boden verstreut lag, nachdem die Königlichen sich genommen hatten, was ihnen nützlich schien. Änne sammelte die Instrumente des Arztes auf, die in der ganzen Kammer umhergeworfen waren, und sortierte sie sorgfältig in den dafür bestimmten Kasten ein. Dann setzten sich die beiden Frauen gegenüber an den Tisch. Keine von ihnen hätte jetzt einfach schlafen gehen können.
    »Ob sie den Meister wohl martern?«, fragte Clementia ungewohnt leise, nachdem sie eine ganze Weile so beieinandergesessen hatten.
    Änne zuckte zusammen. Diesen Gedanken hatte sie bis eben zu verdrängen versucht. Ein Arzt war ein angesehener Mann, ebenso ein Schmelzmeister und ein Waffenschmied. Das sollte die drei schützen. Womöglich gab es nicht einmal einen konkreten Vorwurf gegen sie.
    Die Tür wurde erneut jäh aufgerissen, zwei Bewaffnete polterten herein.
    »Das Weib da soll auf die Burg kommen!«
    Der Stämmigere von ihnen packte Änne am Arm, zog sie hoch und schob sie hinaus. Ihr blieb keine Gelegenheit, sich noch einmal nach Clementia umzusehen.
     
    Ein paar späte Passanten wichen ängstlich aus, ohne den Blick zu heben, als Änne in der Dämmerung durch die Stadt geführt wurde. Wer konnte, verzog sich rasch in eine Nebengasse, um den Bewaffneten aus dem Weg zu gehen und nicht durch seine bloße Anwesenheit Verdacht zu erregen.
    Es waren nur ein paar Schritte, bis sie den Obermarkt hinter sich gelassen hatten und in die Burggasse einbogen. Dennoch hatte Änne das Gefühl, von unzähligen Blicken beobachtet zu werden. Ob sich schon herumgesprochen hatte, dass Marsilius, der Haberberger und der Waffenschmied verhaftet waren?
    Auf Rettung durfte sie nicht hoffen. Es gab niemanden mehr in der Stadt, der es mit den königlichen Wachen aufnehmen konnte. Und in der Burggasse, durch die sie nun geführt wurde, hatten die Ritter des Vogtes ihr Quartier.
    Markus!, dachte sie verzweifelt, als ob sie ihn herbeiwünschen könnte. Doch selbst wenn er hier wäre – er könnte nichts tun.
     
    Änne wurde nicht in die Halle und auch nicht nach oben in eine der Kammern geschafft, sondern zu ihrem Entsetzen sofort zu den Kellergewölben. Dort hatte der Vogt das neue Verlies einrichten lassen, in das mehr Gefangene passten als in das im Bergfried.
    Ihr Inneres schien zu Eis zu erstarren, während sie alle Kraft darauf richtete, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Bereits von der Treppe aus konnte sie das Klatschen von Schlägen und gellende Schmerzensschreie hören. Es ließ sich nicht an der Stimme erkennen, wer da gequält aufschrie und stöhnte, doch bei jedem Laut zuckte sie zusammen. Änne merkte nicht, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen. Stumm betete sie, die Qual der Gefangenen möge ein Ende finden.
    Ein Schrei hallte durch die Mauern, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Der Gestank von verbranntem Fleisch drang bis zur Treppe. Ihr wurde übel; nur mit Mühe würgte sie wieder hinunter, was sie im Magen hatte.
    Der Stämmige gab ihr einen Stoß die letzten Stufen hinab. Beinahe wäre Änne gestürzt, hätte sie sich nicht an der Wand abgefangen.
    Als sie vom Treppenabsatz in den linken Gang geführt wurde, musste sie bei dem Anblick, der sich ihr bot, erneut die Übelkeit niederkämpfen. In der Mitte des Verlieses lag ein Mann zusammengekrümmt auf dem Boden, blutüberströmt, in zerrissener Kleidung und mit qualvoll verzerrtem Gesicht.
    Conrad Marsilius war fast nur noch an seinem Bart zu erkennen, in dem verkrustetes Blut klebte. Sein linkes Auge war zugeschwollen, aus einer aufgeplatzten Augenbraue lief ihm Blut übers Gesicht, Peitschenstriemen überzogen seine Brust und seinen Rücken. Neben ihm stand Ordulf, der Folterknecht, ein Berg aus Fleisch und Muskeln. In der Hand hielt er ein rotglühendes Eisen.
    Änne rannte drei, vier Schritte, kniete sich neben ihren Mann und strich hilflos über sein Gesicht. »Meister Conrad!«, flüsterte sie verzweifelt und schluchzte auf.
    »Besuch für dich, Medicus«, hörte sie hinter sich die vergnügte Stimme des Burgvogtes.
    Ruckartig drehte sich Änne in diese Richtung. Graf Reinold saß auf einem Stuhl, hatte lässig die Beine übereinandergeschlagen und hielt sich mit abgespreizten Fingern eine Duftkugel unter die Nase.
    Wie ein Schwall traf Änne über all dem Kerkergestank nach Moder, Schweiß und Exkrementen der aufdringliche Geruch, mit dem der Graf seine Kleider parfümierte. Ein brutaler Stoß von Ordulf in den Rücken ließ sie vornüber zu Boden

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