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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Frauen hier so viel Leid und Blut sehen, so viele vor Schmerzen Schreiende und Sterbende, dass ihnen jede Geschichte von Heilung Trost spenden mochte.
    »Ihr Name bedeutet: die Kleine aus dem Geschlecht der Petronier«, begann er und sah Änne freundlich an. »Sie mag wohl deine Statur gehabt haben, meine Tochter. Die braven Christenmenschen wenden sich an sie, damit sie Heilung vom Fieber bringe.«
    Dann wird sie bald viel zu tun bekommen, dachte Änne beklommen. Selbst wer mir heute nicht unter den Händen verblutet, kann immer noch am Wundfieber sterben.
     
    »Ich bin Medicus. Wo ist der Feldscher?«
    Zu Tode erschöpft war Conrad Marsilius dem Heer hinterhergehumpelt und fragte sich nun durch, vorbei an den Trosskarren mit Zeltplanen, dem Kriegs- und Küchengerät und den durcheinanderlaufenden Menschen. Er hatte es in der Nacht doch nicht mehr bis nach Leipzig geschafft und musste sich mit seinem Pferd zum Schlafen ein Versteck kurz vor der Stadt suchen. Gleich am Morgen hatte er das nächstgelegene Stadttor passiert und war mitten in einen gigantischen Aufruhr geraten. Die Glocken von St. Thomas läuteten ununterbrochen, jedermann strömte zum Markt. Ihm blieb gar keine Wahl, als sich mit der Menge treiben zu lassen.
    Obwohl er ganz am Rand des Menschenauflaufs stand, konnte er vom Rücken seines Zelters aus gut sehen, was auf dem Marktplatz vor sich ging. Ein Gottesdienst unter freiem Himmel fand statt – und zugleich eine Heerschau.
    Der ganze Platz war voll von Bewaffneten, die niederknieten, um den Segen der Priester zu empfangen. Vorn die Kämpfer zu Fuß, dahinter Hunderte Berittene: Ritter, Sergenten und Reisige. Einen eigenen Haufen bildete das Aufgebot der Leipziger Wachen und wehrhaften Bürger.
    Zwei prachtvoll gerüstete Reiter zogen alle Blicke auf sich. Einen von ihnen erkannte der Medicus sofort: Friedrich, der einstige Markgraf von Meißen. Die Gestalt neben ihm musste sein Bruder Diezmann sein; die Ähnlichkeit war unverkennbar.
    Als das »Amen« aus unzähligen Stimmen verhallt war, lenkte Fürst Friedrich seinen Hengst ein paar Schritte vor und hob sein Schwert. Nun wurde es auf dem Platz so still, dass auch Marsilius auf seinem Beobachtungsposten am Rande die weittragende Stimme des Wettinerfürsten hören konnte.
    »Seid eingedenk eurer Väter und Großväter Tugend und Tapferkeit!«, rief dieser den Männern zu, die mit ihm in den Kampf auf Leben und Tod ziehen würden. »Vergesst nie, dass ihr für euer Haus und Hof, für Gottes und der Heiligen Kirche Ehre streiten werdet! Für das Land, in dem ihr geboren und erzogen seid, für eure Weiber und Kinder, ja für euer Leben und eure Freiheit! Ich will euch nicht mit Worten aufhalten noch beschweren, als hätte ich an der Tugend und Tapferkeit meiner redlichen Bürger und Kriegsleute etwa Zweifel oder Misstrauen … Ich und mein Bruder wollen gewappnet vor euch herziehen. Wir wollen als Erste die Feinde angreifen, und wo der Streit am gefährlichsten sein wird, werdet ihr uns finden!«
     
    Der Eindruck, den diese Worte hinterließen, war überwältigend. Das Gedränge danach war es auch. Da Marsilius kein besonders guter Reiter und von der Folter geschwächt war, verlor er die Gewalt über seinen Zelter, der angesichts des Lärms und des Gedränges immer unruhiger wurde und schließlich scheute. Als Nächstes fand sich Conrad Marsilius mit pochendem Hinterkopf, brennenden Wunden auf seinem Rücken und Würgereiz im Magen liegend in einer Schankwirtschaft wieder, in die ihn ein paar mitleidige Seelen getragen hatten.
    Den Kasten mit seinen medizinischen Instrumenten hatten sie mitgebracht, was den Arzt ebenso erfreute wie verwunderte. Dafür musste er bald darauf feststellen, dass sowohl sein Pferd als auch sein Geldbeutel verschwunden waren. Es machte ihn verlegen, den Wirtsleuten nicht einmal einen Hälfling zum Dank für ihre Mühe geben zu können. Außerdem überkam ihn ein gewaltiger Hunger durch den Duft, den die im Kessel vor sich hin köchelnde Suppe mit Zwiebeln, Lauch und Majoran verbreitete. Doch er wollte nicht um ein Frühmahl bitten, das er nicht bezahlen konnte. So tief bin ich gesunken, dachte er bitter: vom geachteten Gelehrten, Ratsherrn und Familienoberhaupt zu einem Vogelfreien und Bettler.
    Er flüchtete geradezu aus der Schankwirtschaft, um den gutgemeinten Einwänden der Wirtin zu entkommen, in diesem Zustand und seinem Alter könne er unmöglich in den Krieg ziehen.
    Dem Heer zu folgen, war anhand der tiefen

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