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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Spuren, die die vielen Füße, Hufe und Räder im Boden hinterlassen hatten, nicht schwierig.
    Vom Wegrand pflückte sich der Arzt etwas Sauerampfer, um den knurrenden Magen zu beruhigen, trank aus dem Bach, blieb einen Augenblick erschöpft liegen und quälte sich dann wieder hoch, fest entschlossen, sich von seinem Vorhaben nicht abbringen zu lassen.
    Irgendwann war er so nah heran, dass er ein paar gedämpfte Rufe und das Wiehern von Pferden hören konnte. Ein Stück voraus schien der Wald zu enden.
    Gleich ist es geschafft, dachte er, blieb stehen und atmete tief durch. So gut es ging, klopfte er den Staub von dem Gelehrtengewand, das ihm Clementia gebracht hatte, fuhr mit den Fingern durch Bart und Kopfhaar, wusch sich Hände und Gesicht in dem Wasserlauf links des Weges, griff erneut nach dem Kasten und bemühte sich, eine würdevolle Miene aufzusetzen. Nach einer Achtelmeile hatte er den Tross eingeholt.
    »Ich bin Medicus, lasst mich durch. Wo ist der Feldscher?« Die ersten beiden Männer, die er fragte, zuckten nur mit den Schultern, der Dritte wies nach vorn und brüllte: »He, ihr da! Macht Platz! Verstärkung für den Feldscher!«
    Marsilius wurde durchgelassen. Nach ein paar Schritten konnte er die Stelle sehen, die für das Lazarett unter freiem Himmel ausgewählt war: ein halbwegs ebenes Stück Wiese, ganz am äußeren Rand des Heerlagers oder dessen, was noch ein Heerlager werden sollte. Hier standen nur Pferde auf einer provisorischen Koppel und mehrere Ochsengespanne vor halb entladenen Karren. Ein paar junge Burschen kümmerten sich um die Tiere oder gingen zwei Marketenderinnen zur Hand. Das meißnische Banner mit dem schwarzen Löwen auf gelbem Grund flatterte an einer in den Boden gerammten Lanze.
    Der Feldscher – ein noch junger Mann mit einem Feuermal und tief umschatteten Augen – erhitzte gerade ein Kautereisen und fuhr einen Knappen an, der neben dem Leichnam seines Ritters kniete und am ganzen Leib zitterte. »Reiß dich zusammen und hilf mir lieber, damit der hier nicht auch noch stirbt! Los, knie dich auf seine Brust und halte ihn fest!«
    Doch der Junge war dazu nicht in der Lage. Wie abwesend starrte er auf den Toten vor sich und schien den Befehl gar nicht zu hören.
    Marsilius räusperte sich und trat auf den Feldscher zu.
    »Conrad Marsilius, Medicus aus Freiberg«, stellte er sich vor und übernahm es selbst, den Verwundeten festzuhalten, damit der junge Wundarzt seine Arbeit tun konnte.
    »Euch schickt der Himmel!«, brachte dieser hervor, bevor er das glühende Messer auflegte. »Es gibt hier mehr als genug Arbeit für uns.«
    Mit dem Kinn deutete er auf das Dutzend Verletzte hinter sich, die an Baumstämme gelehnt oder auf den Boden gelegt worden waren.
    Marsilius richtete sich mit steifem Oberkörper auf und ging zu ihnen, um sich einen Überblick zu verschaffen, wer seine Hilfe am dringendsten benötigte und wer überhaupt Aussicht hatte zu überleben. Dann beauftragte er ein paar von den neugierig glotzenden Burschen, Wasser zu holen, Leinenstreifen zu besorgen und ihm bei diesem oder jenem Handgriff zu helfen.
    Bald war der Arzt völlig in seine Arbeit vertieft. Doch so schnell er auch Aderpressen anlegte, Wunden ausbrannte und verband, gebrochene Knochen richtete und schiente, von Pferdehufen zermalmte Glieder amputierte – rasch wurde ihm ebenso wie dem jungen Feldscher klar, dass sie den Zustrom derer, die ihre Hilfe brauchten, niemals würden bewältigen können.
     
    Von Blut und Wasser war der Boden, auf dem Änne kniete, bereits zu einem dunkelroten Morast geworden. Aus dem Augenwinkel bekam sie mit, dass wieder ein Knappe kam und einen Verletzten oder Toten hierherschleppte. Bitte, lass es nicht Markus sein!, dachte sie angesichts der Gestalt mit dem blutverschmierten Kettenpanzer. Und nicht Ulrich! Sie wollte hinüber zu Sibylla sehen, doch das Stöhnen des thüringischen Ritters vor ihr zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.
    »Halte meine Hand! Dann werde ich mich weniger fürchten …«, ächzte er und sah sie flehend an. Sie wussten beide, dass er angesichts seiner Bauchverletzung nicht überleben konnte. Warum sollte sie ihm weitere Schmerzen zufügen? Entweder sie ließ ihn jetzt verbluten, oder er würde sich tagelang in Schmerz- und Fieberkrämpfen winden, bevor er starb. Sie legte das Kautermesser beiseite und griff nach seinen Händen. Mit einem Blick bat sie den Priester herbei, der ihr gegenüber neben dem Schwerverletzten niederkniete, ohne darauf

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