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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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kochen und auf dem Oberen Markt auszuteilen oder Meister Marsilius dabei zu unterstützen, die Verletzten zu behandeln.
    Eine Zeitlang wagte niemand, offen für die Übergabe der Stadt zu sprechen.
    Doch nach zwölf Tagen schlug die Stimmung um. Erst heimlich, dann immer lauter kam die Forderung auf, sich zu ergeben. Und bald geriet die Bürgerschaft in offenen Streit – zwischen jenen, die Markgraf Friedrich die Treue hielten, und jenen, die dem königlichen Heer die Tore öffnen wollten.
     
    »Diese Narren!« Nikol Weighart schüttelte den Kopf, während seine Frau ihm half, den Tasselmantel umzulegen. Ihr Mann hatte in den zurückliegenden Tagen sichtlich an Gewicht verloren und schien um Jahre gealtert. Sie wusste, er fühlte sich verantwortlich für die vielen Toten, die die Belagerung bereits gekostet hatte. Und sie wusste auch, dass er sich Tag und Nacht insgeheim fragte, ob er die Stadt nicht doch sofort dem König hätte übergeben müssen.
    Ihre Köchin hatte ihnen nach der Rückkehr vom Brunnen erzählt, dass dort ein paar Leute darüber tratschten, wie ein alter Mann von aufgebrachten Nachbarn erschlagen worden war, weil er in einem der halbzerstörten Häuser nach etwas Wärmendem gesucht hatte.
    »Ich befürchte, heute wird das bisherige Unentschieden in eine Mehrheit für die Übergabe der Stadt umschlagen«, sagte er bitter, während Katharina ihm die Kappe reichte. Er nahm die Kopfbedeckung, setzte sie aber nicht auf, sondern ließ die Hände sinken und sah ihr direkt in die Augen. »Bin ich es, der Freiberg ins Verderben führt?«
    Mit gespielter Munterkeit drückte sie ihm die Kappe auf das störrische Haar und schob ihn zur Tür. »Du weißt, dass du keine andere Wahl hattest, das haben wir oft genug besprochen. Und nun geh und mach den anderen Mut, Mann! Das ist deine Aufgabe!«
     
    Nachdem Nikol fort war, ließ Katharina den fertigen Kessel voll Hirse auf einen Karren laden und zum Oberen Markt bringen. Es war die übliche Zeit, zu der sie, wie einige andere Frauen auch, Essen an die Bedürftigen austeilte.
    »Gott segne Euch für Eure Güte«, murmelte der in eine schmutzige Decke gehüllte Greis, dem sie als Erstem die Schüssel füllte.
    Es wurden jeden Tag mehr, die hier nach Essen anstanden. Besorgt überschlug sie, wie lange die Vorräte wohl noch reichen würden, bis die Freiberger anfingen, ihre Pferde zu schlachten und zu essen – Pferde, Hunde oder Ratten.
    Als Nächste war eine verarmte Witwe an der Reihe. Doch statt ihr die leere Schüssel zu reichen, richtete die Alte den Blick starr an ihr vorbei auf einen Punkt hinter ihnen.
    Katharinas Nackenhaare richteten sich auf. Sie drehte sich um und sah eine Gruppe aufgebrachter Frauen auf sie zukommen, angeführt von einer dürren Gerberin, die sich mit in die Hüften gestemmten Armen so dicht vor ihr aufbaute, dass der beißende Geruch ihrer Kleidung Katharina fast den Atem nahm.
    »Bringt endlich Euren Mann dazu, den Kampf zu beenden, Weighartin«, schrie die Frau und funkelte sie böse an, während die anderen lautstark zustimmten. »Wir wollen unsere Männer zurück – und zwar lebend!«
    »Ja! Euer Mann muss ja nicht kämpfen und sich von den Königlichen beschießen lassen! Die Ratsherren sitzen fein beim Wein und reden und reden, während unsere Männer ihre Haut zu Markte tragen!«, keifte eine andere, die Frau des Blaufärbers.
    Katharina wusste, dass dem Gerber am Vortag eine Hand hatte abgenommen werden müssen. Wenn sie alle die Belagerung überlebten, würde seine Familie hungern, da der Hausvater die schwere Arbeit nicht mehr ausüben konnte.
    Und das war kein Einzelfall. Eine der aufgebrachten Frauen hatte den Sohn verloren, zwei andere das Dach ihres Hauses.
    Sie wollte etwas entgegnen, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken.
    Mit geballten Fäusten kamen die wütenden Frauen immer näher auf sie zu, und mit einem Mal verspürte sie Angst; Angst, die anderen könnten sie einfach erschlagen.
    Panisch sah sie um sich, ob jemand in der Nähe war, der ihr helfen konnte. Doch diejenigen, an die sie Brei ausgeteilt hatte, beugten sich wortlos über ihre Schüsseln oder huschten schleunigst davon, und die Passanten oder Kirchgänger auf dem Weg zu St. Petri machten einen großen Bogen um die Streitenden.
    Gütiger Gott, sie werden mich totschlagen, einfach hier mitten auf dem Markt, dachte Katharina fassungslos.
    Gerade noch, bevor eine der aufgeregten Frauen handgreiflich werden konnte, tauchte einer der Stadtwachen

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