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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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zerlumpten Kleidern und schüttelte missbilligend den Kopf.
    »Tapferer Ritter, mich müsst Ihr nicht fürchten!«, sagte sie mit jenem merkwürdigen Akzent, mit dem viele hier sprachen.
    »Dann schleich dich besser nicht von hinten an einen bewaffneten Mann heran!«, fuhr er sie an und übergab einem der herbeieilenden Stalljungen die Zügel seines Hengstes.
    Die Alte machte keine Anstalten zu gehen. Als er sich umwandte, um Friedrich seine Hilfe anzubieten, humpelte sie verblüffend schnell um ihn herum und baute sich erneut vor ihm auf.
    »Was willst du?«, fragte er unwirsch und griff nach seinem Almosenbeutel. Wahrscheinlich wurde er sie nur los, wenn er ihr einen Pfennig gab. Es gehörte zu den Pflichten eines Ritters, den Armen Almosen zu spenden; doch hier auf dem Vyšehrad schienen merkwürdige Sitten zu herrschen, wenn die Bettler nicht vor dem Tor, sondern auf dem Hof den Gästen auflauerten.
    »Soll ich Euch die Zukunft aus der Hand lesen?« Die Alte streckte ihm auffordernd ihre knochige Rechte entgegen.
    Nun musterte er sie mit mehr Interesse.
    Er glaubte zwar nicht daran, dass jemand die Zukunft vorhersagen konnte; dazu hatte er Sibyllas Geständnis noch zu lebhaft in Erinnerung, wie ihre Prophezeiungen zustande kamen. Doch falls die Alte selbst eine Gauklerin war, konnte sie ihm vielleicht sagen, ob Sibylla hier war und wo er sie suchen sollte.
    »Ich habe einen Auftrag für dich«, sagte er und legte ihr einen Hälfling in die knochige Hand. »Du bekommst mehr davon, wenn du eine Wahrsagerin für mich suchst …«
    So genau er konnte, beschrieb er das Aussehen seiner Geliebten.
    Die Alte grinste ihn mit einem zahnlosen Lächeln an. »Oh, ich verstehe, Ihr wollt lieber die schöne Sibylla.«
    Ulrich glaubte, sich verhört zu haben, und erstarrte für einen Moment, als sie den Namen nannte. Dann beugte er sich vor, aufs höchste angespannt.
    »Du kennst sie? Wo ist sie? Kannst du sie zu mir bringen? Ich gebe dir alles Geld dafür, das ich habe!«
    Sein Herz schien auf einmal aus dem Brustkorb springen zu wollen, so heftig klopfte es.
    »Ihr sollt sie sehen. Aber zuerst hört gut zu!«, entgegnete die Alte.
    Ungeachtet der Ungeduld des Ritters begann sie einen leisen Singsang, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen.
    »Wiesentau und Abendrot,
    übers Jahr ist der König tot.
    Doch wer der neue König ist,
    ganz plötzlich dann sein Wort vergisst.«
    Ulrich fuhr ein Schauer über den Rücken, obwohl die Sonne immer noch hell und warm auf den Burghof schien.
    Lag es an ihren durchdringenden dunklen Augen, ihrer leisen, trotz des Alters betörenden Stimme? Oder daran, dass sie ausgesprochen hatte, was zu Ende zu denken er sich geweigert hatte: dass Albrecht von Habsburg möglicherweise nicht der Mann war, dem man bedenkenlos trauen konnte, wenn er erst die Krone an sich gerissen hatte?
    »Vergesst meine Worte nicht!«, mahnte sie. Dann richtete sie sich auf und blickte suchend um sich.
    »Da ist die Schöne!« Sie streckte ihren dürren, schmutzigen Zeigefinger aus.
    Genau aus dieser Richtung vernahm er auf einmal den Klang einer Flöte. Ulrich reckte sich, um auf dem von Menschen wimmelnden Burghof mehr zu sehen, und glaubte zu träumen.
    War das Zauberei? Es konnte nicht so einfach sein!
    Zwischen all den Menschen hindurch sah er Sibylla – nur dreißig Schritte von ihm entfernt, inmitten einer gerade eingetroffenen Gruppe von Gauklern und Spielleuten. Sie stand neben einem Mann, der vor einer staunenden Menge mit brennenden Fackeln jonglierte, und an ihrer Seite erkannte er auch den bärenstarken Anführer der Truppe, dessen Körperkraft ihm die Hoffnung gegeben hatte, bei ihm würde sie geschützt sein – zumindest so geschützt, wie sie in ihrem Stand sein konnte.
    Schnell krempelte er seinen Almosenbeutel um, nahm das Feuereisen heraus und drückte der Alten alle Pfennige in die Hand, die er besaß.
    Dann schaute er nach Friedrich. Der wurde gerade von einem weiteren seiner Schwäger, Herzog Heinrich von Braunschweig, dem Gemahl seiner Schwester Agnes, mit einer kräftigen Umarmung begrüßt.
    Der tatkräftige – um nicht zu sagen, rauflustige – Braunschweiger, der keine Gelegenheit ausließ, ins Gefecht zu ziehen, war Ulrich der sympathischste unter Friedrichs ranghohen Verwandten und würde sicher ein zuverlässiger Verbündeter in dem Kampf sein, der ihnen bevorstand.
    Das Willkommen zwischen den beiden wird wohl noch einige Zeit beanspruchen, vermutete er und begann, sich so schnell wie

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