Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan
zeigte.
Ich kontrollierte die Herkunft des Fax. NCIC.
Komisch. Wenn Lowery 68 starb, warum war er dann im System? Wurden so alte Abdrücke im Normalfall überhaupt eingegeben?
Spontan rief ich die Fingerabdruckabteilung des Service de l'identité judiciaire an. Ein Sergeant Boniface meinte, ich solle zu ihm raufkommen. Ich schnappte mir die Akte und stieg die Treppe in den ersten Stock hoch.
Als ich vierzig Minuten später wieder hinunterstieg, wusste ich eine schwindelerregende Menge über Schleifen, Bögen und Windungen. Das Wesentliche jedoch: Auch wenn Boniface nicht genau wusste, warum Lowery in der FBI-Datenbank war, hatte er keinen Zweifel an der Korrektheit der Übereinstimmung.
Lowery lag jetzt auf einem in den Boden geschraubten Tisch in der Mitte des salle 4. Fliegen krabbelten über seine Plastikumhüllung und schwirrten durch die Luft darüber. Ein Polizeifotograf schoss von einer Leiter aus Fotos.
LaManche und Lisa untersuchten die Röntgenaufnahmen auf den Lichtkästen an der Wand. Ich ging zu ihnen, und gemeinsam bewegten wir uns die Reihe entlang.
Auf jedem Film leuchtete das Skelett weiß im blassen Grau des Fleisches. An Schädel und Knochen fiel mir nichts Ungewöhnliches auf.
Wir waren bei der fünften Aufnahme, als LaManches knotiger Finger auf ein Objekt bei Lowerys linkem Fuß tippte. Das Ding war strahlenundurchlässig und lag schräg über dem Fersenbein.
»Un couteau«, sagte Lisa. Ein Messer. »Oui«, sagte LaManche. Ich stimmte ihnen zu.
Das nächste Beutestück tauchte in einer Thoraxaufnahme auf. Das zweite Objekt war etwa acht Zentimeter lang und zwei Zentimeter breit und leuchtete so hell wie das erste.
»Mais, oui.« LaManche nickte langsam, nun endlich begriff er. »Oui.« Aus dem Nicken wurde ein Kopfschütteln. »Sacre bleu.«
Klasse. Mein Chef schien diesen bizarren Todesfall jetzt zu verstehen. Ich kapierte ihn immer noch nicht.
Ich schaute mir die Form auf Lowerys Brust genauer an. Ein zweites Messer war es nicht. Es war auch keine Uhr, keine Gürtelschnalle oder ein Stück Anglerausrüstung. Ich hatte keine Ahnung.
LaManche ging zu der Leiche und fing an, seine Beobachtungen in ein Diktiergerät zu sprechen.
»Das Opfer steckt in einem offensichtlich selbst gemachten Sack, bestehend aus einer großen Plastikplane, die einmal gefaltet und mit Isolierband zugeklebt wurde. Die Unterkante und die eine Seite wurden bis auf die oberen zehn Zentimeter von außen versiegelt. Das Halsende und die obersten zehn Zentimeter der Seite wurden von innen versiegelt. Die Folie wurde erst kürzlich aufgeschnitten, sodass die rechte Hand frei liegt. Im Bereich des Schnitts ist mäßige Insektenaktivität deutlich ersichtlich.«
Während LaManche weitere Details aufzählte, knipste der Fotograf und positionierte dabei für jede Aufnahme die Tafel mit der Fallnummer neu.
»Allem Anschein nach stieg das Opfer in den Sack, sicherte dann das Plastik mit einem Arm, den er durch die zehn Zentimeter lange, seitliche Öffnung streckte, die anschließend von innen versiegelt wurde.«
LaManche wies Lisa an, das Seilstück am Knöchel abzumessen.
»Der linke Fuß steckt in einem Stiefel, der mittels eines zwanzig Zentimeter langen Stücks Polypropylenseils mit einem Stein verbunden ist. Das Opfer scheint das Seil zuerst um den Stein gebunden zu haben und dann um den Knöchel, der linksseitig aus dem Plastik herausragt.«
Während Lisa mit dem Maßband hantierte, diktierte LaManche die Abmessungen. »Die äußere Plastikumhüllung ist einen Meter breit und insgesamt zweieinhalb Meter lang und liegt eng am Körper an.«
LaManche ging zum Kopfende des Tisches. Verärgert summend stiegen Fliegen auf. Hinter mir klatschten winzige Körper gegen die Lichtkästen.
»Der Kopf ist separat umhüllt. Ein Atemrohr, das mit Isolierband an der Tüte befestigt ist, ragt seitlich heraus.«
Atemrohr?
Ich schaute mir den schleimigen Zylinder an. War dieses Kunststoffarrangement eine Art selbst gebastelter Taucheranzug? »Die Unterseite der Tüte ist am Hals dicht verklebt.«
Und so weiter. Lisa nahm die Maße. LaManche diktierte Längen, Positionen, Öffnungsgrößen. Schließlich tastete er den Kopf in der Tüte ab.
»Das Atemrohr ist im Verhältnis zum Mund zur Seite und nach hinten verschoben.«
Ich weiß nicht recht, warum, vielleicht weil ich plötzlich das Bild vor mir hatte, wie die Röhre aus Lowerys Mund rutscht. Eine Röhre, durch die er Luft holen wollte.
Plötzlich machte es klick.
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