Blut Von Deinem Blute
sehen.«
»Vielleicht hatte sie vor, irgendwann mal ein paar Zentner abzunehmen und den ganzen Plunder aufzutragen«, mutmaßte Mia mit einem boshaften Lachen. »Was Neues hatte sie ja schließlich nicht in Aussicht.«
Laura lachte mit ihr, obwohl sie ihr am liebsten die Tür vor der Nase zugeschlagen hätte. »Ja, vielleicht.«
Ihre Schwester lehnte sich gegen den Türrahmen, als habe sie vor, dort einige Zeit stehen zu bleiben. »Weißt du noch, wie sie immer die Nüstern gebläht hat, wenn sie aufgeregt war?« Sie prustete einen Schwall Fast-Food-Atem in das spärliche Dunkel, das noch den Weg durch die Regenwolken fand. »Wie ein fetter Hase hat sie dann ausgesehen.« Ihre Wangen vibrierten unter einem angedeuteten Mümmeln, und Laura spürte, dass ihre Schwester sich in einer jener seltenen Phasen befand, in denen sie nach Annäherung suchte. In einer Bratapfel-Phase.
Nutz das aus! Frag sie!
»Wo ist eigentlich der Messerblock hingekommen?«
Sie ließ das Mümmeln und schob den Kopf vor wie eine Schildkröte. »Was?«
Stell dich nicht so dumm!, dachte Laura. »Der Block, aus dem das Messer stammte, mit dem Madame Bresson getötet wurde. Der drüben in der Küche stand, auf der Arbeitsplatte.«
Mia schien nachdenken zu müssen. Aber das konnte genauso gut Theater sein. »Sie werden ihn wahrscheinlich mitgenommen haben.«
»Wer? Die Polizei?«
Sie antwortete nicht. Stattdessen schweiften ihre Blicke wieder über die Kisten. Was suchte, was argwöhnte sie dort?
Schützend legte Laura eine Hand auf die Bücherkiste. »Ist er denn morgens noch da gewesen?«
»Wer?«
»Der Messerblock.«
In Mias Augen erschien ein anderer Ausdruck. Vielleicht war es auch eine gesteigerte Wachsamkeit, aber das war im Dämmerlicht des regenschweren Abends nicht zu erkennen. »Du meinst, als ich die ganze Sauerei aufgewischt habe?«
»Ja, genau.« Laura schluckte. Niemand würde es so ausdrücken, dachte sie. Die ganze Sauerei . ..
Die Antwort ihrer Schwester klang wie auswendig gelernt und wenig überzeugend. »Ich erinnere mich nicht daran.«
»Du meinst, ob der Messerblock am Morgen nach dem Mord noch auf der Arbeitsplatte gestanden hat?«
»An alles.«
Tja, Amnesie scheint ein weit verbreitetes Leiden in meiner Familie zu sein, dachte Laura bitter. »Oh doch, duerinnerst dich«, beharrte sie mit so viel Nachdruck, wie sie in diesem düsteren Zimmer im Angesicht einer zutiefst gestörten Seele zu Stande brachte. »Das hast du heute Morgen mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht.«
Einen flüchtigen Moment lang schien es, als wisse ihre Schwester tatsächlich nicht, wovon sie sprach. Ihre Blicke irrten im Zimmer herum wie ein Schwarm aufgeschreckter Vögel.
Error, dachte Laura zufrieden. Irgendetwas in ihrem Kopf ist gerade im Begriff durchzubrennen.
Mias Flatterblicke blieben an ihrem Gesicht hängen, und irrsinnigerweise musste Laura auch jetzt wieder an ihre Frisur denken. An die kurzen Haare, an die sie sich noch immer nicht gewöhnt hatte. Das ist doch krank, dachte sie wütend. Es geht um Mord. Es geht um einen Heiratsantrag. Es geht um Leben und Tod. Und immer denke ich an meine Haare. Das Heil liegt in der Banalität.
»Na schön«, wagte sie einen neuen Anlauf. »Dann beschreib mir, wo Vater gelegen hat. Wie hat er ausgesehen?«
Mias Blick gefror. »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du nicht wieder davon anfangen sollst.«
»Warum nicht?«
»Sich zu erinnern ist vielleicht gefährlich.«
»Gefährlich für wen?«
Sie zuckte die Achseln. Das Gesicht völlig ausdruckslos. »Für dich.«
Laura ließ die Bücherkiste los. »Willst du mir drohen?«
Jetzt tat sie auf einmal überrascht. »Drohen? Ich?«
Doch trotz der geheuchelten Überraschung hatte Laura das Gefühl, ihre Schwester zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr ernsthaft verunsichert zu haben, auch wenn sie nichtdie geringste Ahnung hatte, wodurch. Allerdings hätte sie viel dafür gegeben, es herauszufinden. »Beschreib mir den Tatort.«
In Mias Nacken krachte ein Muskel, als sie ruckartig den Kopf vorschob. »Vielleicht muss ich das gar nicht.«
»Was willst du damit sagen?«
Ein hinterhältiges kleines Lächeln. »Was ich damit sagen will? Ich will damit sagen, dass ich sehr genau weiß, wo ich in der bewussten Nacht gewesen bin. Und das ist nicht die Küche dieses Hauses gewesen. Aber ...« Sie stemmte ihre Beine in den Boden. Unter der Jeans spannte sich das Fett ihrer Schenkel. »... wo warst du?«
Laura schluckte. Sie konnte
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