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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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das ausdrückte. Der Mord an deinen Eltern ... Der Mord ... Beinahe sanft. »Da ist es ganz logisch, dass es noch immer ein paar Leute gibt, die sich daran erinnern.«
    »Und die nichts Besseres zu tun haben, als sich mit ihrem Pseudo-Wissen an dich zu wenden? Ausgerechnet an dich?«
    Er sah ihr in die Augen. »Wir sind oft zusammen unterwegs. Da geht man wahrscheinlich davon aus, dass wir einander ganz gut kennen.«
    »Was sind das überhaupt für Leute, die glauben, dir irgendeinen Mist über mich erzählen zu müssen?«
    Er antwortete nicht.
    »Bekannte von dir?«
    »Das spielt doch keine Rolle.«
    »Oh doch!«, schrie sie ihn an, ohne sich darum zu scheren, dass die Gäste an den umliegenden Tischen interessiert die Köpfe wandten. »Das spielt eine Rolle! Was haben sie dir über mich erzählt? Haben sie gewartet, bis ich zur Toilette bin, um zu dir zu kommen und zu sagen: Ach übrigens, die Frau, die du da mitgebracht hast, hat eine vollkommen durchgeknallte Schwester, die die Axt, mit der sie kurz zuvor ihren Vater und ihre Stiefmutter abgeschlachtet hat, fein säuberlich abwäscht, bevor sie die Polizei ruft? Ging es in diese Richtung, ja?«
    Sie stutzte, als sie einen Schatten hinter sich wahrnahm. Die Kellnerin mit Waffeln und zwei Tassen Cappuccino. Schützend vergrub sie das Gesicht in den Händen.
    »Danke«, hörte sie Leon sagen.
    Dann Schritte, die sich entfernten. Und Musik, die lauter und leiser wurde. Wie ein Radio, an dem ein Kind herumspielt.
    Leon ließ ihr Zeit, sich zu beruhigen, bevor er fragte: »Warum hast du mir nie davon erzählt?«
    »Weil es dich nichts angeht«, wiederholte sie, ohne aufzublicken.
    Sollte er denken, was er wollte. Sollte er verletzt sein. Das war am Ende sowieso das Beste. Um nicht stillsitzen zu müssen, griff sie nach ihrer Gabel und schob sich ein Stück Waffel in den Mund. Und erschreckt stellte sie fest, dass der Geschmack in ihr ein Gefühl von Geborgenheit auslöste. Das darf doch wohl nicht wahr sein, dachte sie, schließlich bin ich kein Kind mehr! Ist unser Bedürfnis nach Geborgenheit tatsächlich so unermesslich, dass wir immer und immer wieder versuchen, den Katastrophen des Lebens mit Waffeln und Kaffeeduft beizukommen? Mit Bratäpfeln und Schubert und irgendwelchen bescheuerten Serviettenringen? Sie hustete und ertappte sich bei dem Wunsch, das Stück Waffel in ihrem Mund wieder zurück auf den Teller zu spucken.
    Sie war so mit sich selbst beschäftigt, dass seine Frage sie kalt erwischte: »Willst du mich heiraten?«
    »Was?«
    Sie hatte sich verhört. Sie musste sich verhört haben! Doch Leon sah vollkommen ernst aus. »Ich möchte, dass du meine Frau wirst.«
    »Nein.« Und jetzt schaffte sie es plötzlich doch, von ihrem Stuhl aufzustehen. Es war mit einem Mal ganz leicht. Leicht, weil es keine Alternative mehr gab. »Warum sollte ich dich heiraten?«
    »Weil du jemanden brauchst, der sich um dich kümmert. Und weil jeder Mensch irgendwann irgendwo ankommen muss.«
    So banal ...
    Trotzdem lachte sie. Lachte, so laut sie konnte. »Und verrätst du mir auch, warum du ausgerechnet jetzt mit einem so idiotischen Vorschlag kommst? Oh, warte! Ich weiß schon: Bestimmt hast du auch einen Bekannten in der Praxis meiner Gynäkologin. Jemanden, der dir brühwarm ...«
    Sie unterbrach sich, als sie den Ausdruck in seinen Augen sah. Sie war in eine Falle getappt! Geradewegs in eine erbärmliche Falle!
    »Halt dich raus aus meinem Leben«, war alles, was sie noch sagen konnte.
    Dann riss sie ihre Strickjacke an sich und stürzte aus dem Cafe.

11
    »Lynn Sanders hat gekündigt.«
    Ryan reagierte nicht.
    Ginny riss den Blick von ihrem Spiegelbild los und schob den Kopf um die Ecke zu ihrem gemeinsamen Schlafzimmer. »Und sie will Anzeige erstatten.«
    »Was?« Nun tauchte sein Gesicht doch über der geöffneten Schranktür auf. »Weswegen?«
    »Fragst du mich das im Ernst?« Sie kehrte ins Bad zurück und legte sich die schmale Goldkette um den Hals, die ihr Großvater ihr zur Konfirmation geschenkt hatte. »Herrgott noch mal, Ryan, was ist da bloß in dich gefahren?«
    »Es ...« Er war ihr gefolgt und wand sich sichtlich unter ihrem Blick. Doch sie war keineswegs sicher, dass es dabei tatsächlich um Lynn ging. Oder um sie. »Mir ist ganz einfach die Hand ausgerutscht.«
    »Das, was ich gesehen habe, sah anders aus«, gab sie zurück.
    »Was hast du denn gesehen?«
    Sie blickte wieder in den Spiegel und zupfte mit kleinen, wütenden Bewegungen ihre Frisur

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