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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Mia blieb, wo sie war, während das Zimmer um sie herum mit jeder Minute dunkler zu werden schien.
    »Du hast ihn nur noch gehasst.«
    »Das ist nicht wahr.«
    Mias Rücken wirbelte herum. »Warum stellst du auf einmal Fragen, die du vor fünfzehn Jahren hättest stellen müssen?«
    »Ich stelle diese Fragen jetzt.«
    »Scheiß drauf!« Sie spuckte etwas auf den Boden vor sich. »Ich habe dich nur einmal weinen sehen. Ein einziges Mal in neunzehn Jahren. Und das war nicht, als unser Vater gestorben ist. Also noch mal: woher dieser plötzliche Familiensinn?«
    Laura hatte Mühe, die Wut, die in ihr aufloderte, im Zaum zu halten. »Was verstehst ausgerechnet du von Familiensinn?«
    Ihre Schwester zog die Nase hoch. »Jedenfalls mehr als du.«
    »Wieso? Weil du noch immer in diesem Haus lebst? Mit altem Christbaumschmuck und einem Haufen verrotteter Pralinen?«
    »Ich liebe dieses Haus«, entgegnete sie erstaunlich ernsthaft. »Und im Gegensatz zu dir liebe ich auch diese Insel. Ich liebe den Strand und das Meer. Und manchmal glaube ich, ich liebe sogar das Hotel.«
    »Aber dieses Haus ist eine verdammte Bruchbude«, schleuderte Laura ihr durch die Dunkelheit, die sie trennte, entgegen. Wie spät war es denn eigentlich, dass es schon so dunkel war? »Und nicht nur das: Es ist der Ort, an dem unsere Eltern gestorben sind. Und Madame Bresson.« Sie schnappte nach Luft. »Man muss schon sehr krank sein, um es hier auszuhalten.«
    Mias Kopf ruckte so heftig hoch, dass irgendwo in ihrem Nacken ein Wirbel krachte. Aber sie verzog keine Miene. Sie schien es nicht einmal bemerkt zu haben. »Du hältst mich für krank?«
    »Oh ja, allerdings.« Klare Frage, klare Antwort. Die Konsequenzen waren ihr egal. Allmählich war ihr alles egal.
    Mia sah sie an. »Ja, vielleicht bin ich das«, gab sie nach einer Weile vollkommen unerwartet zu. »Vielleicht sind wir das alle. Krank. Aber, sag mir, was ist kränker: zu wissen, wo man herkommt, oder seinen eigenen Vater zu hassen? Na?« Nun kam sie doch wieder näher. Und dieses Mal lag eine unverhohlene Drohung in ihrem Schritt. »Los doch, sag mir, was kränker ist!«
    Laura blickte an ihrer Schwester vorbei zur Tür. Die Sache stand kurz vor einer Eskalation, so viel war klar. Und wenn Mia tatsächlich ernst machte, hatte sie dort, wo sie jetzt stand, wenig Chancen, ihr zu entkommen.
    Dann widersprich ihr wenigstens! Wehr dich!
    »Warum behauptest du immer, dass ich Vater gehasst habe?«, fragte sie, und ihre Stimme klang schriller als beabsichtigt. »Nur weil ich nicht zusammengebrochen bin? Nur weil sie mir keine Beruhigungsspritze geben mussten?«
    Mia zuckte zusammen. Aus irgendeinem Grund, der sich Laura nicht erschloss, zuckte sie zusammen. »Ich wollte diese Spritze nicht«, sagte sie mit einem seltsamen Unterton. »Ich habe mich dagegen gewehrt.«
    Was hat sie auf einmal?, dachte Laura beunruhigt.
    »Ich habe mich gewehrt«, wiederholte sie, während ihr Blick in die Dunkelheit abglitt. »Aber es hat mir nichts genützt.«
    Laura starrte sie an. Sie spürte, irgendetwas hatte sich in den vergangenen paar Sekunden verändert, ohne dass es ihr gelingen wollte, die Veränderung zu beschreiben.
    Mia hatte sich derweil umgedreht und ging langsam auf die Tür zu, was Laura unvermittelt mit einem elementaren Triumphgefühl erfüllte. Aber sie blieb regungslos stehen und wartete, bis die Düsternis der Halle ihre Schwester verschluckt hatte. Und selbst dann dauerte es noch fast eine Minute, bis sich die Muskeln in ihrem Nacken entspannten. Kein Zweifel, sie hatte einen Etappensieg errungen! Auch wenn sie keine Ahnung hatte, wodurch ...
    Erleichtert schaltete sie das Licht wieder ein, verschloss die Tür und verstaute die Kartons und Koffer in den tiefen Wandschränken. Sie wollte gerade die Türen schließen, als sie die Stimme ihrer Schwester hörte. Was sie sagte, war nicht zu verstehen, aber es klang wütend und wurde durch gelegentliche Geräusche unterbrochen, die Laura nicht einordnen konnte. Es klang, als bräche jemand Holz auseinander.
    Laura ließ den Griff der Schranktür los. Was zur Hölle trieb sie da? Machte sie tatsächlich irgendwas kaputt? Die Vorstellung, dass ihre Schwester blindwütig auf irgendeinMöbelstück einschlug, jagte ihr einen kalten Schauder über den Rücken, und unwillkürlich musste sie wieder daran denken, wie Mia sich verändert hatte. Eben.
    Ich muss etwas gesagt haben, das sie eingeschüchtert hat, dachte Laura. Irgendeine Bemerkung von mir hat sie

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