Blut Von Deinem Blute
gegenüber.«
Leon registrierte die Einschränkung aufmerksam. »Würden Sie sagen, dass sich das Verhältnis zwischen Mr. Bradley und seiner jüngeren Tochter danach irgendwie verändert hat? Nach diesem Arztbesuch, meine ich?«
»Mir ist nichts aufgefallen.«
»Wie stand Mia eigentlich zu ihrer leiblichen Mutter?«
»Sie ist immer ein Vaterkind gewesen, von Anfang an«, antwortete Ginny ohne Zögern. Aus irgendeinem Grund schien sie nichts mehr dabei zu finden, mit ihm über die Vergangenheit zu sprechen. Mehr noch: Leon hatte fast den Eindruck, dass sie froh war, abgelenkt zu sein. Von was auch immer. »Aber natürlich waren die Umstände von Louisas Tod denkbar unglücklich. Wenn ein Elternteil Selbstmord begeht ...« Sie unterbrach sich. »Ich meine, da müssen Sie als Kind doch zwangsläufig denken, dass Sie nichts wert sind, oder?«
Leon blickte sie überrascht an. Das Thema schien sie ernsthaft betroffen zu machen.
»Zumindest nicht genug, um Ihrer Mutter einen Anreiz zum Bleiben zu liefern«, fuhr sie fort. »Wahrscheinlich fühlen Sie sich sogar insgeheim schuldig, dass Ihre Mutter das Leben nicht ausgehalten hat. Und wenn Sie nicht verrückt werden wollen, fangen Sie an, nach jemandem zu suchen, dem Sie die Schuld geben können für das, was geschehen ist.«
Interessanter Gedanke, dachte Leon. »Denken Sie, dass Mia damals so empfunden hat?«
Sie ließ die Kreditkarte los. »Ich glaube, ich habe dabei eher an Laura gedacht. Sie fühlte sich immer in besonderem Maße für ihre Mutter verantwortlich. Schon als Kind.«
»Ist Nicholas Bradley ein Sadist gewesen?«
Die Frage schien sie zu überraschen. »Nein«, sagte sie, beinahe entrüstet. »Wie kommen Sie denn auf so eine Idee?«
»Ist die Idee so abwegig, wenn man bedenkt, dass gleich beide Frauen, die mit ihm verheiratet waren, mit gravierenden psychischen Problemen zu kämpfen hatten?«, gab Leon zurück.
Ginny Marquette hielt seinem Blick stand. »Ich denke, das lässt sich nicht vergleichen.«
»Würden Sie sagen, dass er eine seiner Töchter bevorzugt hat?«
Die Antwort kam schnell und ließ keinen Raum für Zweifel. »Oh ja, Mia.«
Und Louisa Bradleys Brautkleid war cremeweiß, dachte Leon. »Trotzdem soll er kurz vor seinem Tod einen heftigen Streit mit ihr gehabt haben.« Er beobachtete ihre Reaktion genau, als er hinzufügte: »Einen Streit, den Sie zufällig mitangehört haben, nicht wahr?«
»Ach das ...«
»Sie waren zu diesem Zeitpunkt im Hof hinter dem Haus, oder?«, insistierte Leon, als sie nicht von sich aus weitersprach.
Sie nickte zerstreut. »Ja ... Ich glaube. Aber im Grunde habe ich so gut wie gar nichts von dieser Auseinandersetzung mitbekommen.«
»Aber Sie sind sicher, dass es Mia und ihr Vater waren, die an diesem Nachmittag stritten?«, konfrontierte Leon sie mit derselben Frage, die er bereits Bernadette Labraque gestellt hatte.
Sie dachte lange nach, bevor sie antwortete. »Das könnte ich nicht beschwören«, sagte sie schließlich. »Ich glaube, jemandhat gesagt, es sei Mia gewesen, also nahm ich an, dass es Mia war.«
»Wer hat das gesagt?«
Sie überlegte wieder. »Cora, glaube ich. Cora Dubois.«
Da hast du's!, triumphierte der allgegenwärtige Kevin. Cora Dubois! Dieselbe Frau, die Stein und Bein geschworen hat, dass ihr geliebtes Patenkind in der Mordnacht keinen Schritt vor die Tür ihres Hauses gesetzt hat. Die beste Freundin ihrer verstorbenen Mutter.
Leon rief sich Cora Dubois' charaktervolles Gesicht in Erinnerung. Wie weit würde eine Frau wie sie gehen, um ihr Patenkind zu schützen? Würde sie lügen, selbst auf die Gefahr hin, dass sich der Verdacht gegen jemand anderen richtete? Gegen Lauras Schwester?
»Warum waren Sie eigentlich an jenem Nachmittag im Hof hinter dem Herrenhaus?«, wandte er sich wieder an Ginny.
»Ich habe wohl jemanden gesucht.«
»Ihren Mann?«
»Möglich.«
Leon ließ es bei dieser Antwort bewenden. Laut Aussage von Bernadette Labraque hatte die Frau des Geschäftsführers befürchtet, dass ihr Mann ein Techtelmechtel mit einer von Nicholas Bradleys Töchtern habe .
Mit Laura, korrigierte ihn Kevin gnadenlos.
Und wenn es tatsächlich so war?, überlegte Leon. Hätte Ginny Marquette in diesem Fall nicht einen guten Grund anzudeuten, dass es eben nicht Mia gewesen ist, die so kurz vor dem Mord mit ihrem Vater gestritten hatte? Wollte sie den Verdacht absichtlich auf Laura lenken? Jetzt? Nach fünfzehn Jahren? Sein Blick fiel wieder auf die Rose in Ginnys
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