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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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sie, was sie noch anziehen konnte, um nicht sofort bis auf die Knochen durchnässt zu sein. Ein Schirm hatte wenig Sinn bei einem Unwetter wie dem, das dort draußen tobte. Aber eine Regenjacke besaß sie nun einmal nicht. Dabei hatte selbst Leon eine Regenjacke. Leon, der die meiste Zeit des Tages an seinem Schreibtisch im Institut verbrachte …
    Er war ihr nicht gefolgt.
    Sie war ihm weggelaufen. Und er war an seinem lächerlichen Puppentischchen sitzen geblieben, allein mit zwei Waffeln und der ungeheuerlichen Neuigkeit, die sie ihm so bereitwillig verraten hatte.
    Sie hatte keine Ahnung, ob er sich Kinder wünschte. Sie hatten nie darüber gesprochen. Aber sie hatten auch nie übers Heiraten gesprochen, und trotzdem hatte er heute davon angefangen. Was war das? Lauras Finger umfassten das Treppengeländer fester. Irgendein altmodischer Beschützerinstinkt? War es von Anfang an ein Beschützerinstinkt gewesen, der ihn in die Bars getrieben hatte, in denen sie verkehrte? Bei dem Gedanken krampfte sich ihr Magen zusammen. Zugleich fühlte sie eine kalte Wut in sich aufsteigen. Er würde nicht lockerlassen, so viel stand fest.
    Weiß der Vater davon? Was werden Sie jetzt tun?
    Das Vernünftigste wäre, wenn ich abreise, dachte Laura, während die Angst, die sie seit Tagen mit sich herumtrug, immer größer und schwerer wurde, wie ein Medizinball, der sich in ihrem Inneren aufblähte. Ein Gefühl, nackt und roh, und nur mit äußerster Mühe gelang es ihr, den elementaren Fluchttrieb zu unterdrücken, den das Gefühl in ihrauslöste. Dabei war an Flucht im Moment sowieso nicht zu denken. Sie kannte die Flugpläne nicht, aber die letzte Maschine war unter Garantie schon weg. Und falls nicht, würde sie bei diesem Wetter vermutlich ohnehin nicht starten können.
    Der Perquage fiel ihr ein. Die winzigen Boote, die man den Todeskandidaten bereitgestellt hatte.
    Ich sitze hier fest, dachte sie. Auf diesem lächerlichen Granitfelsen, umgeben von aschgrauem, aufgepeitschtem Wasser. In einem Haus, das eine gefährliche Psychopathin beherbergt. Laura schloss die Augen. Sah Madame Bresson. Die Küche. Kliniklicht. Und ihre Mutter mit gespreizten Beinen.
    Drei Menschen sind in diesem Haus gestorben. Oder vielmehr: gestorben worden. Also sieh dich vor!
    Durch das Halbdunkel sah Laura ihre Hände an. Sie zitterten wie Espenlaub. »Komm schon«, versuchte sie sich selbst Mut zuzusprechen. »Nur noch dieser eine Abend, okay? Du hörst dir an, was sie zu sagen hat, und morgen früh fliegst du nach Hause. Du brauchst nicht einmal zu packen.«
    Es würde schon irgendwie weitergehen. Es ging immer irgendwie weiter, ganz egal, wie groß die Tragödie, die man erlebt hatte, auch war. Selbst ein neuer Schlachttag würde den Fortgang des Lebens nicht aufhalten. Und was war denn schon ein neuer Alptraum? Laura lächelte bitter. Alpträume, so viel immerhin hatte sie in den vergangenen fünfzehn Jahren gelernt, waren etwas, mit dem man leben konnte.
    Ohne Licht zu machen, schlich sie in die Küche und sah aus dem Fenster. Der Hof gähnte schwarz, doch aus derTür zu Mias Atelier drang Licht. Dort, wo der Eingang sein musste, schwebte ein helles Viereck im Regen. Sie darf auf gar keinen Fall mitbekommen, dass ich das Haus verlasse, dachte Laura. Sie darf nicht wissen, mit wem ich mich treffe. Denn wenn sie es wüsste ... Ein Anflug von Panik legte sich wie eine eisige Umarmung um ihre Schultern. Wenn sie es wüsste, würde sie mich daran hindern. Einschließen, vergiften, was auch immer.
    Nach einem letzten Blick über den Hof huschte sie durch die finstere Diele, zurück zur Halle, wo sie sich einen dunklen Chiffonschal um den Kopf band, sodass ihre Haare fast vollständig darunter verschwanden. Dabei fiel ihr Blick auf die Garderobe, wo ein paar von Mias Sachen hingen. Kurz entschlossen riss sie einen olivgrünen Parka von seinem Haken und schlüpfte hinein. Er roch überaus unangenehm, und Laura brauchte eine Weile, um sich darüber klar zu werden, was das für ein Geruch war, der dem Kleidungsstück anhaftete. Terpentin, befand sie schließlich naserümpfend. Das verdammte Ding stank wie eine ganze Lösungsmittelfabrik!
    Angeekelt zog sie den Reißverschluss zu und öffnete die Haustür.
    Immerhin passe ich jetzt farblich zu Mias Feldgeschirr, dachte sie grimmig und trat ein weiteres Mal an diesem Tag in den strömenden Regen hinaus.

15
    Der Lift befand sich am Ende des Flurs. Leon drückte auf den Knopf mit dem Pfeil nach unten, obwohl

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