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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Lichtstrahl die Seeleute, die auf ihn vertrauten, in eine Falle?
    Laura schüttelte sich. Bei einem solchen Wetter hielt man sich einfach nicht im Freien auf, was vermutlich bedeutete, dass die Frau, mit der sie verabredet war, gar nicht erst erscheinen würde. Sie hatte zwar nicht angerufen, um ihre Verabredung abzusagen, aber das mochte nicht viel bedeuten. Vielleicht hatte sie es versucht und niemanden erreicht. Oder Mia war an den Apparat gegangen, und sie hatte einfach aufgelegt. Vor Schreck. Oder Ekel. Vielleicht ist das Ganze auch von Anfang an nur ein Scherz gewesen, überlegte Laura unbehaglich. Vielleicht saß sie jetzt, in diesem Augenblick, zu Hause bei ihrer tyrannischen Mutter und lachte sich halbtot bei dem Gedanken, dass Nicholas Bradleys verlorene Tochter in einem vom Sturm verwüsteten Park auf ihr Erscheinen wartete. Denn wenn sie wirklich etwas wusste ... Laura stutzte. Wenn sie tatsächlich über brauchbare Informationen verfügte, hätte sie sich vermutlich an die Polizei gewandt. Schon vor fünfzehn Jahren.
    Es sei denn ...
    Laura nickte stumm vor sich hin. Wenn sie wirklich zu diesem obskuren Treffen erschien, wollte sie vermutlich Geld. Geld für Informationen, deren Wert – oder vielmehr Unwert – sie selbst erst einschätzen konnte, wenn sie bereits dafür bezahlt hatte.
    Ich höre, Sie interessieren sich für Informationen, die den Tod Ihrer Eltern betreffen ...
    Die Stimme war ein bisschen anders gewesen, als Laura sie in Erinnerung hatte. Aber sie war kein Mensch, dem sich Klangfarben einprägten. Oder Sprachmelodien. Eher visuelle Eindrücke. Gesichter. Orte. Sie versuchte, sich das breite, immer etwas leidend wirkende Gesicht ins Gedächtnis zu rufen, und sie hatte das Gefühl, dass es ihr recht gut gelang. Was mochten die vergangenen fünfzehn Jahre aus diesem Gesicht gemacht haben? Was hatten sie aus ihr selbst gemacht?
    Mias Blechdose hatte ihr vor Augen geführt, dass sie nicht ein einziges Foto besaß, das älter als fünfzehn Jahre war. Die wenigen Aufnahmen, die in den Schubladen ihrer Wohnung ein Schattendasein fristeten, stammten allesamt aus der Zeit nach dem Mord. Laura seufzte. Ein Psychologe würde das vermutlich als Indiz dafür deuten, dass ich mich gar nicht erinnern will, dachte sie. Ich besitze nicht einmal ein Foto meiner Mutter, geschweige denn meiner sonstigen Verwandtschaft. Ich habe meine komplette Familie ausgelöscht. Die Erinnerung an sie ist aus meinem Leben getilgt. Aber wenn ich die Lücke vor dem Frühstückstisch wirklich schließen will, werde ich das rückgängig machen müssen.
    Ausgelöscht, wiederholte etwas tief in ihr. Die ganze Familie ...
    Mittlerweile hatte sie den Haupteingang des Parks erreicht, doch sie ging zunächst daran vorbei, hinunter zu dem großen Parkplatz an der Rue de la Baie. Die Anzahl der dort abgestellten Autos war überschaubar, was in erster Linie dem schlechten Wetter zuzuschreiben war, und Lauras heimliche Hoffnung war, dass sie sie dort sehen würde. Da sie keine Ahnung hatte, wo sie jetzt wohnte, war es gutmöglich, dass sie mit dem Auto kam. Und falls dem so war, konnte sie sie abfangen und sie würden in ein Lokal gehen und sich in einem warmen, hellen Raum unterhalten. Doch der Parkplatz wirkte genauso verlassen wie die Straßen. Im Licht der Straßenlaternen beobachtete Laura einen Mann in kurzen Hosen, der in einen weißen Chevrolet stieg und davonbrauste. Und eine Gestalt in dunkler Regenkleidung, der sie auf die Entfernung nicht einmal ein Geschlecht zuordnen konnte. Resigniert sah sie auf die Uhr und beschloss, es doch im Park zu versuchen. Genau wie sie verabredet hatten.
    Sie machte kehrt und trat durch den Haupteingang an der Rue de la Valeuse, wobei sie sich noch einmal sorgfältig umsah. Sie hatte ein seltsames Gefühl, so als ob ihr jemand folge. Aber sie konnte nichts entdecken, das ihre Befürchtung bestätigt hätte.
    Das sind bloß deine verdammten Nerven, beruhigte sie sich. Die Tage hier haben dich empfindlich gemacht. Dünnhäutig. Und jetzt siehst du Gespenster.
    Dans le vieux parc solitaire et glacé, deux spectres ont évoqué le passé – im alten Park, dem verlass'nen und kalten, beschworen das Gestern zwei Spukgestalten ...
    Lauras Blick streifte ein Schild, das die Besucher des Parks darauf hinwies, dass Ballspiele auf den Rasenflächen verboten waren. Dann wandte sie sich nach rechts, hangaufwärts, wo die Wege verschlungener wurden und hübsch angelegte Lauben zum Lesen und Ausspannen

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