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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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einluden und nachts den Liebespärchen Schutz vor allzu neugierigen Blicken boten.
    Aber nicht heute Abend, dachte Laura. Heute Abend bin ich wahrscheinlich die Einzige hier. Sie sah wieder aufdie Uhr. Sie war nicht zu früh, eher im Gegenteil. Aber was machte das schon? Die Frau, mit der sie verabredet war, würde ja sowieso nicht kommen.
    Du bist auf einen dummen Scherz reingefallen, dachte sie, indem sie hinauf in den Himmel blickte, wo zwischen den bizarren Schatten der sturmverzerrten Wolken nun doch vereinzelte Sterne aufblitzten. Eine alte Mutter, die erst eingeschlafen sein muss, damit sie aus dem Haus kann! Was für ein Schwachsinn! Missmutig rieb Laura ihre Hände, die urplötzlich eiskalt waren.
    Sie wird nicht kommen. Sie hatte nie vor, zu kommen. Vielleicht rächt sie sich auf diese Weise für etwas, das dein Vater ihr angetan hat. Er oder Madame Bresson, die alte Hexe.
    Laura wollte eben umkehren, als sie sie entdeckte.
    Sie saß in einer der Lauben, hatte dort Schutz gesucht vor dem Wind, der noch immer recht kräftig wehte. Ihre Füße steckten in robusten Stiefeln und waren im Grunde das Einzige, was Laura überhaupt von ihr sehen konnte, denn sie hatte sich ganz in die rechte Ecke zurückgezogen. Aber sie war es. Sie musste es sein! Wer sonst würde an einem solchen Abend allein in einem Park sitzen, bei diesem Wetter?
    Laura sah hastig über ihre Schulter, ob nicht vielleicht doch noch jemand anderes in der Nähe war, jemand, der sie beobachtete, der darauf wartete, dass sie einen weiteren Fehler machte. Doch sie schienen allein zu sein.
    Dans le vieux parc solitaire ...
    Sie ist tatsächlich gekommen, dachte Laura mit einer Mischung aus Unglauben und Triumph. Sie muss etwas wissen. Etwas, das dir weiterhilft.
    Ihre Schritte waren vollkommen lautlos, noch immer übertönte der Wind jedes andere Geräusch. Laura überlegte,ob sie sich bemerkbar machen sollte, rufen vielleicht, damit sie sich nicht erschreckte, aber irgendetwas hielt sie davon ab. Ein Eindruck von Irrealität, der stärker und stärker wurde, je näher sie den Stiefeln kam, die aus der Laube ragten und aussahen, als würden sie schlafen.
    Kehr um, dachte sie noch. Mach, dass du hier wegkommst ...
    Doch da hatte sie die Laube bereits erreicht.
    Was sie dort sah, lähmte von einem Augenblick auf den anderen all ihre Sinne. Sie war es tatsächlich. Laura erkannte das breitflächige Gesicht sofort, obwohl ihr Kopf weit nach hinten gebeugt war. Der Mund stand offen, so als habe der Wind erst vor wenigen Sekunden einen Schrei des Entsetzens von ihren Lippen fortgerissen. Die Wunde in ihrem Hals war tief und klaffte fast eine Handbreit auseinander. Etwas Helles stach daraus hervor, das wie der Knorpel ihres Kehlkopfes aussah. Von dort war Blut an ihrem Hals hinunter geronnen, ganze Bäche von Blut. Die Vorderseite ihrer Jacke war dunkel verfärbt und schwer vor Nässe. Laura wich entsetzt einen Schritt zurück und starrte auf ihre Stiefel hinunter. Irgendwie schienen diese Stiefel das Einzige zu sein, das anzusehen nicht gefährlich war. Die einzige Chance, einen klaren Gedanken zu fassen ...
    Jemand war hier gewesen.
    Nur kurze Zeit vor ihr.
    Und dieser Jemand hatte Conchita Perreira, dem ehemaligen Zimmermädchen des Beau Rivage, die Kehle durchgeschnitten.

17
    Leon lief unruhig im Zimmer auf und ab. Er hatte Laura bereits am Eingang des Parks aus den Augen verloren und hatte sie auch nirgends mehr entdecken können. Einen kurzen Moment lang hatte er erwogen, nach ihr zu suchen, sich aber dagegen entschieden. Für das, was er hier tat, gab es ohnehin keine Entschuldigung. Genau genommen nicht einmal eine vernünftige Erklärung. Es war einfach nur unangebracht. Und zutiefst idiotisch.
    Trotzdem empfand er noch immer Angst.
    Um sich abzulenken, setzte er sich an den eleganten Mahagonischreibtisch, der neben der Balkontür stand, und zog ein paar Bögen des hoteleigenen Briefpapiers aus der Ledermappe, die alle wichtigen Informationen zu seinem Zimmer bündelte. Es hatte ihm schon immer geholfen, Dinge handschriftlich festzuhalten, um sich über komplizierte Sachverhalte klar zu werden. Geld , schrieb er in großen, gestochen scharfen Buchstaben auf den obersten Bogen. Und darunter die Worte Hass , Schuld und Eifersucht . Er zögerte einen Augenblick, dann setzte er den Begriff Wahnsinn unter die anderen. Vor dem Fenster heulte der Sturm. Er drückte gegen die Scheibe, und trotz der guten Isolierung konnte Leon einen leisen Luftzug

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