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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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unauffällig nach links glitten. Zum Nachtschrank ...
    »Warum eigentlich?«
    »Was?« Sie fuhr herum. Mia war jetzt direkt über ihr, die Augen wie zwei schwarze Schlitze.
    »Warum euch allen derart die Muffe geht, will ich wissen«, antwortete sie, indem sie die geballten Fäuste rechts und links neben Laura in die Matratze stemmte. »Etwa wegen der Geschichte mit dem Hackebeilchen, ja? Na los doch, sag's mir! Hast du Angst, dass ich dir dein hübsches, nichts sagendes Gesichtchen weghacke?«
    Sie schien ernst zu meinen, was sie sagte, zumindest konnte Laura nicht den leisesten Anflug von Ironie in ihren Worten ausmachen. Sie wagte nicht, sich zu rühren oder auch nur zu atmen, während Mias Gesicht dicht über ihrem schwebte. Sie hat schon zweimal getötet, fuhr es ihr durch den Sinn. Sie konnte es wieder tun. Töten. Das Wort brannte in gestochen scharfen Lettern hinter ihrer Stirn. Sie könnte dich töten ...
    »Weißt du eigentlich, wie das aussieht, wenn du das Hirn durch das Loch sehen kannst, das früher mal ein Auge gewesen ist? Ja? Weißt du, was das für ein Scheißanblick ist?!« Jetzt schrie sie, und Laura hatte das dringende Bedürfnis, es ihr gleichzutun. »Wenn die verdammte Fresse keine Lippen mehr hat und der Schädelknochen überall durch die zerfetzte Kopfhaut quillt ... Hast du eine gottverdammte Ahnung, wie das aussieht?«
    Laura schloss die Augen.
    Die Augen zu schließen war alles, was sie in dieser Situation zustande brachte. Die einzige Möglichkeit.
    »Ihr habt mich reinlegen wollen mit dem verdammten Beil«, flüsterte Mias Stimme in ihrem Ohr. Ihr Atem war heiß und feucht. »Aber ich weiß genau, dass es nicht da war, an dem Morgen. Ganz genau. Und das bedeutet, dass mich irgendwer von vorn bis hinten verarscht hat.« Es klang brandgefährlich, wie sie das sagte. »Und eines schönenTages ...« Ihre Fäuste bohrten sich noch tiefer in die Matratze, während sich jeder einzelne Muskel in Lauras Körper zusammenzog. »Eines schönen Tages finde ich raus, wer das war. Und dann beweise ich euch und den verfickten Scheißgören da draußen vor dem Fenster und allen anderen, die glauben, mich wie eine Aussätzige behandeln zu müssen, dass ich unschuldig bin. Denn genau das bin ich: unschuldig!«
    Sie sprang vom Bett, dass das schwere Eisengestell unter der Wucht erzitterte, und stürzte aus dem Zimmer.

2
    Liam Merrywater, der Anwalt, der Nicholas Bradley in allen geschäftlichen und privaten Belangen vertreten hatte, war vor zwölf Jahren an Krebs gestorben. Sein Nachfolger erwies sich als freundlich, aber unergiebig. Ja, natürlich habe er von dem Fall gehört, aber es existiere definitiv keine Akte, und wie sein Vorgänger mit der behördlichen Korrespondenz verfahren sei, ob er selbige überhaupt aufbewahrt habe, wisse er nicht. Ob Leon bekannt sei, dass die Sache nie bis vor Gericht gekommen ist?
    Leon hatte sich höflich bedankt und die Kanzlei Merrywater von seiner Liste potentieller Quellen gestrichen. Dann hatte er die Nummer gewählt, die er sich neben Lionel Archers Adresse notiert hatte. Zu seiner Überraschung war der pensionierte Kriminalist, der vor fünfzehn Jahren die Ermittlungen im Mordfall Bradley geleitet hatte, umgehend zu einem Gespräch mit ihm bereit und erklärte,falls es Leon passe, könne er gern gleich heute Nachmittag vorbeikommen. Leon sagte zu und ging frühstücken.
    Er setzte sich an einen kleinen Ecktisch und orderte Kaffee. Dann bediente er sich am gut sortierten Buffet, wobei er sich auch den Luxus einer Tageszeitung gönnte, von denen eine großzügige Auswahl in mehreren Sprachen neben dem Eingang bereitlag.
    »Auch Deutscher?«, fragte der ältere Herr vom Nebentisch, und Leon bejahte. »Tolle Insel, was? Wir kommen seit fast dreißig Jahren jeden Sommer her und haben's immer noch nicht satt.« Er streckte Leon eine sehnige Hand entgegen. »Klaus Albrecht.« Sein Blick streifte die mollige Brünette an seiner Seite. »Meine Frau Jutta.«
    »Leon de Winter«, sagte Leon, indem er beiden die Hand gab. »Freut mich.«
    »De Winter?«, fragte Albrecht interessiert. »Französische Vorfahren?«
    Leon nickte. »Mein Urgroßvater stammte aus dem Elsass.«
    »So.« Albrecht rückte an seiner randlosen Brille. »Machen Sie Urlaub?«
    »Mehr oder weniger«, antwortete Leon, unschlüssig, ob er die Mär vom deutschen Geschichtsprofessor, der das Schicksal seiner Landsleute auf den Kanalinseln recherchierte, auch beim Frühstück aufrechterhalten sollte. »Ich bin

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