Blut Von Deinem Blute
Historiker und ...«
»Drittes Reich, was?«, bellte Albrecht, und auf Leons Nicken hin setzte er hinzu: »Tja, was das angeht, ist die Insel bestimmt eine echte Fundgrube.«
»Ich finde sie sehr interessant«, entgegnete Leon vieldeutig.
Sein Gesprächspartner wischte ein paar Krümel von seinem Jackett. »Dieses Hotel hat übrigens auch mal einem Landsmann von uns gehört. Hans von Stetten. Imposante Erscheinung, kann ich Ihnen sagen.«
Leon sah ihn an und wurde sich erst jetzt einer Bemerkung bewusst, die er zuvor einfach überhört hatte: Die Albrechts kamen seit über dreißig Jahren regelmäßig nach Jersey.
Und zwar jeden Sommer.
Die Frage war ...
»... Wohnen Sie immer in diesem Hotel?«
Albrecht nickte.
»Das ist interessant«, sagte Leon mit tiefer innerer Überzeugung. »Dann können Sie mir vielleicht etwas über den Vorbesitzer erzählen? Ich habe gehört, dass er ermordet wurde.«
»Nick Bradley?« Albrecht tauschte einen Blick mit seiner Frau. »Oh ja, das war eine furchtbare Tragödie damals.«
»Und genau genommen sind wir sogar hier gewesen, als es passiert ist«, schaltete sich Jutta Albrecht in das Gespräch ein. »Aber von dem Verbrechen haben wir erst erfahren, als wir für den nächsten Sommer buchen wollten. Mein Mann hat das nämlich immer mit Bradley persönlich ausgemacht, wissen Sie.«
»Ich rufe also an und kriege als Erstes zu hören, dass der Chef nicht mehr am Leben sei«, übernahm Albrecht wieder die Federführung innerhalb der Berichterstattung. »Und als ich frage: Wie das?, sagt man mir, er wäre ermordet worden. Und seine Frau ebenfalls.« Er holte Luft. »Als Nächstes frage ich natürlich: Wann soll das denn gewesen sein?, weil ich noch immer nicht fassen kann, dass er tot ist.Na ja, und als ich dann das Datum hörte, habe ich zu meiner Frau gesagt, stell dir vor, da waren wir noch dort!«
»Aber es war unser Abreisetag«, ergänzte Jutta Albrecht. »Also nicht der eigentliche Tag, sondern der folgende Morgen.«
»Bradley wurde Freitagnacht getötet«, sprang ihr Mann ihr bei, weil er merkte, dass sie sich verheddert hatte. »Und wir sind Samstagfrüh abgereist. Aber da waren die Leichen noch gar nicht entdeckt.«
Leon verstand. »Man hat damals die Töchter verdächtigt, nicht wahr?«, fragte er, wobei er ganz bewusst den Plural verwendete.
»So ein Blödsinn«, rief Albrecht, ehrlich empört. »Wenn die Polizei ihren Job nicht anständig macht und sie nicht weiterwissen, dann müssen's eben die Töchter gewesen sein.«
»Dabei sind das ganz anständige Mädchen«, pflichtete seine Frau ihm bei. »Wir sind den beiden oft begegnet, als sie noch Kinder waren.«
»Wirklich?« Leon betrachtete sie interessiert. Eine kluge und warmherzige Frau. »Und haben Sie sie gut gekannt?«
»Na ja, gut ...« Jetzt zögerte sie doch. »So wie man Kinder eben kennt, nicht wahr.« Sie nippte an ihrem Kaffee. »Laura, die Ältere, war ein außergewöhnlich hübsches Mädchen. Und auch sehr intelligent. Aber ziemlich still und in sich gekehrt.«
Leon spürte, wie er blass wurde. »Und die andere?«, fragte er eilig.
»Mia? Oh, die hat mich immer sehr beeindruckt.«
»Inwiefern?«
»Sie war schon als Kind jemand, der keine Konsequenzenscheut«, erläuterte Jutta Albrecht bereitwillig. »Du magst mich nicht? Okay, dann lass es.«
Das passt, dachte Leon. Laut sagte er: »Ich habe irgendwo gelesen, dass sie als Kind gestohlen haben soll. Die Reporter, die offenbar von ihrer Schuld überzeugt waren, werteten diesen Umstand als Indiz dafür, dass sie bereits früh kriminelle Neigungen zeigte.«
»Kriminelle Neigungen?«, empörte sich Albrecht, ehe seine Frau auf Leons Einwand antworten konnte. »So ein Quatsch. Da sieht man mal wieder, was sich die Presse aus einer vollkommen harmlosen Geschichte zurechtstrickt.« Er schüttelte wütend den Kopf. »Das arme Mädchen hat ein paar Tuschkästen aus den Spinden seiner Mitschüler mitgehen lassen. Und Zeichenblöcke. Das war alles.«
Seine Frau zuckte die Achseln. »Die beiden waren ganz einfach zwei Mädchen, die einen notorisch geizigen Vater hatten.«
»Aber die Schwester hat nicht gestohlen, oder?«, hakte Leon nach.
»Sehen Sie, das ist genau das, was ich eben meinte.« Jutta Albrecht lächelte. »Eine Frage der Persönlichkeit. Mia wollte malen. Sie konnte sich keine Farben leisten. Also klaute sie welche. Und wenn man sie erwischte ... Tja, Pech gehabt.« Ihr Lächeln vertiefte sich. »Im Grunde war sie immer ein überaus
Weitere Kostenlose Bücher