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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Antwort zuckte sie nur die Achseln.

3
    Mia war verschwunden.
    Zumindest machte das Haus diesen Eindruck, aber Laura war in den letzten Tagen zu oft getäuscht worden, als dass sie sich auf einen bloßen Eindruck verlassen hätte. Also blieb sie im Bett liegen, bis sie so dringend zur Toilette musste, dass es nicht mehr anders ging. Die ersten Schritte gerieten holprig, so als habe sie Wochen im Bett verbracht. Außerdem schien es in ihrem ganzen Körper nicht einen einzigen Muskel zu geben, der nicht wehtat. Kein Gelenk, das sich nicht anfühlte, als sei es dreifach ausgekugelt und anschließend mit roher Gewalt wieder eingerenkt worden.
    Zitternd schleppte sie sich weiter, ging zur Toilette und sah anschließend in den kleinen Spiegel über dem Waschbecken. Ihr Gesicht wirkte eingefallen und fahl, die Augen lagen tief in den Höhlen.
    Was um Gottes willen ist passiert mit mir?, dachte sie ungläubig. Und warum weiß ich nicht einmal mehr, wie ich in mein Bett gekommen bin?
    Sie hatte Fieber gehabt, das hatte Mia vorhin gesagt, und es stimmte wohl auch. Sie erinnerte sich dunkel an ihr zittriges Frösteln, an die unangenehme Kühle der Laken, wenn sie ihr schweißnasses Gesicht auf die Seite gedreht hatte, an unstetes Flimmern und Lichtblitze. Aber für eine simple Grippe schien ihr das, was sie durchgemacht hatte, irgendwie zu gravierend zu sein, auch wenn sich ihre Schleimhäute durchaus wund anfühlten.
    Sie hustete trocken und kehrte zum Bett zurück, wo sie als Erstes unter die Matratze griff, um sich zu vergewissern, dass die Tüte mit dem zerschnittenen Kleid ihrer Mutternoch immer an ihrem Platz war. Ob dieser Umstand zugleich bedeutete, dass Mia keine Ahnung von der Existenz dieser Tüte hatte, schien ihr hingegen nicht unbedingt gesagt. Schließlich war sie in den vergangenen sechsunddreißig Stunden derart weggetreten gewesen, dass sie es kaum bemerkt haben würde, wenn sich jemand an der Matratze zu schaffen gemacht hatte. Genau genommen konnte sie sich ja noch nicht einmal daran erinnern, ob sie vor ihrem Totalausfall noch bei ihrer Patentante gewesen war oder nicht.
    Es ist schon wieder passiert, dachte sie mit einem fassungslosen Kopfschütteln. Wieder fehlen mir ein paar entscheidende Stunden meines Lebens!
    Sie nahm frische Sachen aus ihrem Koffer, zog sich an und gab anschließend ein paar Tropfen ihres Lieblingsparfüms auf ihre Handgelenke, weil sie sich davon ein wenig Trost erhoffte. Aber heute roch das Parfüm irgendwie eigenartig. Das liegt an diesem verdammten Haus, dachte sie düster. Alles, was damit in Berührung kommt, verdirbt irgendwie ...
    Sie stutzte, als ein Bild vor ihr aufblitzte, von dem sie nicht hätte sagen können, wo sie es herhatte: Ein Arm, der sie stützte. Ein kräftiger, nackter Arm, der sich um ihre Schultern legte und sie eine Treppe hinauf führte. Nein, nicht eine Treppe. Die Treppe. War das Mias Arm gewesen? Oder brachte sie jetzt wieder alles durcheinander, die Alpträume und die Realität? Und was war mit dem Gesicht, das sich in ihr Gedächtnis gegraben hatte? War die Person, die an ihrem Bett gestanden und beruhigend auf sie eingesprochen hatte, nichts anderes als eine Einbildung gewesen? Eine Fieberphantasie?
    Ratlos sah sie sich um.
    Irgendjemand hatte sie zu Bett gebracht und ihr die schwarze Hose ausgezogen, die sie getragen hatte, seit sie auf die Insel zurückgekehrt war. Als sie aufgewacht war, hatte sie nur einen Slip und ein T-Shirt angehabt.
    Aber was war sonst passiert?
    Was hatte sie derart ausgeknockt?
    Ihr Blick fiel auf den Nachtschrank neben dem Bett. Dorthin, wo ihr Handy gelegen hatte. Doch es war nicht da. Laura sah sich nach ihrer Handtasche um und fand sie auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch. Akribisch kontrollierte sie ihre Papiere, das Portemonnaie und die Kreditkarten, die vollzählig vorhanden waren. Ebenso wie das Bargeld. Einzig ihr Handy blieb spurlos verschwunden ...

4
    Die Überfahrt kam Leon beinahe unwirklich schön vor. Er verbrachte die meiste Zeit an Deck, genoss den Wind und die herrlich salzige Luft, und wie schon am Tag zuvor hatte er das Gefühl, dass das Meer etwas von seiner Kraft an ihn abgab.
    Als er in Portsmouth von Bord ging, fühlte er sich erfrischt und gestärkt. Am Hafen trank er einen Kaffee und mietete sich anschließend einen ziemlich betagten Ford, dessen Polster den penetranten Geruch nach altem Zigarettenrauch verströmten. Gottlob verfügte der Wagen dennoch über ein brandneues Navigationssystem. Leon

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