Blutaxt: Die Eingeschworenen 5 - Roman (German Edition)
schmiegen.
Jetzt lagen drei Hände um den Griff des Dolches, und einen Augenblick bewegten sie sich nicht, nur der Dampf ihres Atems stieg in die frostige Luft auf und vermischte sich. Die Männer waren verstummt, sie verstanden nicht, was da vor sich ging und warum nicht einer von ihnen längst tot war. Die Sache wurde ihnen langsam unheimlich.
Plötzlich brüllte Krähenbein auf und stieß mit aller Kraft zu. Der Dolch drang so tief in seine Schulter, dass der Griff auf die Ringe des Kettenhemds traf, die Spitze auf der anderen Seite herauskam und sich in Ods Hals bohrte. Krähenbein versagten vor Schmerz die Beine, blind und würgend fiel er auf die Knie – aber Od taumelte und drückte die Hände an seinen Hals.
Jetzt sah Erling es auch, den Dolch, der Krähenbeins Schulter von vorn bis hinten durchbohrt hatte, und er sah, wie Od würgend seinen Hals umklammert hielt. Doch es war kein starker Blutstrahl, wie Erling erleichtert feststellte. Also war es keine tödliche Verletzung, aber er sah, wie der Junge die Hand vom Hals nahm und ansah – dann von Weitem Erlings Gesicht suchte. Seine Züge waren vor Entsetzen und Furcht verzerrt, als er das Blut an seinen Fingerspitzen sah.
Er ist noch nie verletzt worden, fiel es Erling ein. Tyr hat ihn im Stich gelassen …
Er wollte Od gerade zurufen, er solle stehen bleiben und warten. Doch der Junge taumelte und geriet in Panik. Erling sah, wie er die Augen verdrehte und seine Beine nachgaben, und er schrie auf, denn er sah das Unvermeidliche kommen. Mit einem Aufschrei rutschte der Junge aus und verschwand über die Felswand, dann folgte ein dumpfer Aufprall und ein so schriller Schrei, dass alle zusammenfuhren, einige hockten sich hin und hielten sich die Ohren zu. Dann war es still.
» Ruhig, ganz ruhig«, sagte Bergliot, die Krähenbeins Wunde untersuchte, während die Männer ihn festhielten. Er sah, wie sie mit blutigen Fingern und einer Knochennadel einen weiteren rostigen Eisenring aus der Wunde entfernte und fortschleuderte, als handle es sich um die Zecke bei einem Hund. Die Kälte an der nackten, verletzten Schulter war unerträglich, obwohl man ihn in einen warmen Umhang gewickelt hatte, nachdem man ihm Kettenhemd und Tunika ausgezogen hatte.
In diesem Moment wurden Stimmen laut, und Krähenbein reckte unter Schmerzen den Kopf und sah, wie Erling, Onund und Kaetilmund ankamen, die gemeinsam Ods Leiche brachten. Sie waren, während Gjallandi und Bergliot sich um seine Verletzung kümmerten, in Schnee und Geröll bis an den Fuß des Wasserfalls hinabgestiegen, wo Od auf eine tote, abgebrochene Kiefer gestürzt war, die seinen Körper durchbohrt hatte. Sein Kopf hing zur Seite, und seine toten Augen blickten starr ins Leere. Auf einem Felsen in der Nähe saß ein Rabe und verfolgte die Prozession missbilligend.
Es war nicht einfach gewesen, ihn von dem Baum mit den hart gefrorenen Ästen frei zu bekommen, die immer wieder abbrachen, aber schließlich hatten sie es geschafft und ihn auf dem Pfad neben dem Wasserfall nach oben getragen. Onund, dem die Brust vor Anstrengung schmerzte, holte tief Luft und ließ die Beine des Jungen zu Boden gleiten. Er sah Krähenbein an.
Erling, in dessen Gesicht noch immer das Entsetzen geschrieben stand, schien erst jetzt zu begreifen, dass sein Zögling wirklich tot war. Er stieß einen grunzenden Schmerzenslaut aus und taumelte. Der Junge war tot. Od war nicht mehr.
Als niemand etwas sagte, erhob Krähenbein sich mühsam, er taumelte und hoffte, seine Beine würden ihn tragen. Der Boden unter ihm schwankte wie ein Schiff auf hoher See.
» Es ist besser so«, sagte er zu Erling. » Der Knabe war nicht ganz richtig im Kopf.«
Erling stieß einen hohen, schrillen Ton aus, und Krähenbein, obwohl er dabei vor Schmerzen stöhnte, zog die Axt heraus, die hinten in seinem Gürtel steckte. Onund und Kaetilmund hatten den um sich schlagenden Erling ergriffen, und der Bucklige redete ihm zu wie einem Pferd, das es zu besänftigen gilt.
» Du solltest deine Zunge besser im Zaum halten, Krähenbein«, sagte Kaetilmund bitter.
» Denkt ihr etwa, ich kenne Gnade für einen, der mich töten will?«, fauchte Krähenbein zurück. Er trat zu Erling, der sich immer noch wütend wehrte und um sich trat, aber von den Männern festgehalten wurde.
Einen Moment stand er da, während Erling, dem Onund seine große Hand auf den Mund gelegt hatte, heisere Schreie und Verwünschungen zwischen dessen Fingern hindurchpresste und sich auf
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