Blutberg - Kriminalroman
hin nie etwas gefunden haben.«
Árni konnte sich nicht mehr zurückhalten, er musste fragen. »Und euch ist tatsächlich nie der Verdacht gekommen, dass er selber vielleicht …«
»Nein«, fauchte Steinþór. »Auf jeden Fall nicht zu Anfang. Er war Sicherheitsbeauftragter hier, schien sehr besorgt zu sein wegen des Drogenkonsums und war deswegen um Zusammenarbeit mit uns bemüht. Keine Ahnung, wie das da bei euch in Reykjavík ist, hier bei uns sind wir jedenfalls nicht auf die Idee gekommen, dass ein Mann in seiner Position ein Täuschungsmanöver für uns inszeniert - oder wie man das nun nennen soll. Es gab keinen Grund zu einer solchen Annahme. Absolut keinen. Zumindest anfangs nicht.«
»Tut mir leid«, sagte Árni, »ich wollte nicht …«
Steinþór machte eine abwehrende Handbewegung. »Schon gut. Mir war der Mann von Anfang an unsympathisch, ich hätte Verdacht schöpfen müssen.« Ärgerlich schlug er mit der geballten Faust auf die nicht sehr robuste Tischplatte. »Ich hätte auf meine innere Stimme hören sollen.« Alle Augen waren auf ihn gerichtet, doch er starrte nur mit beschämter Miene Guðni an.
»Solchen miesen Typen darf man kein Vertrauen schenken. Wie ich dir sagte, Stefán, wir waren bereits zu der Überzeugung gelangt, dass er mit dem Drogenhandel hier zu tun hat. Es war ja schon nicht mehr normal, dass da nie etwas von den Angaben stimmte, die er uns machte. Mir ist irgendwann sehr wohl durch den Kopf gegangen, ob er uns da bewusst auf eine falsche Fährte führt, ihr wisst, was ich meine.« Alle nickten zustimmend. »Genau. Leider blieb es aber bei diesen Überlegungen, ich habe keine Konsequenzen daraus gezogen. Aber es geht nicht nur darum«, sagte er und blickte Stefán entschuldigend an. »Ich habe dir heute Morgen nicht alles gesagt. Ich wusste, dass er ein Mistkerl war, ich wusste, dass er verheiratet war. Aber ich wusste auch … ich erfuhr es beinahe im gleichen Augenblick, als sie, ja, was soll man da sagen, dass sie … dass er und Helena etwas miteinander hatten.« Guðnis Stumpen ging mit einem Biss entzwei, und er bekam einen derartigen Hustenanfall, dass Árni sich gezwungen fühlte, aufzustehen und ihm kräftig auf den Rücken zu schlagen.
Birgir klopfte sich den Schnee ab, so gut es ging, zog die Schuhe aus und marschierte direkt ins Bad.
»Einmal Krimineller, immer Krimineller«, murmelte er. Er nahm die Mütze ab, zog sich aus und stellte sich unter die heiße Dusche, um wieder richtig warm zu werden. Anschließend
raffte er seine Sachen vom Boden und ging nackt ins Zimmer. Er warf die schmutzige Wäsche auf den Boden und streckte die Hand nach dem Lichtschalter aus. »Verfluchte Scheiße«, stöhnte er, als der erste Schock vorüber war. »Verdammt noch mal, habe ich mich erschrocken. Was willst du denn hier?«
Valdimar saß vornübergebeugt auf der Bettkante und starrte vor sich hin.
»Zieh dich an, Junge«, sagte er ernst und ohne aufzublicken. »Wir müssen miteinander reden.«
»Über was?«, fragte Birgir misstrauisch und rührte sich nicht vom Fleck.
»Über deinen Bruder. Los Junge, zieh dir etwas an.«
Birgir zögerte, aber nicht lange. Er griff in den Schrank und zog sich Unterwäsche und eine Hose an. Erst als er sich auf den Stuhl gegenüber vom Bett setzte, um sich Socken anzuziehen, sah er den Haufen auf seinem Bett und erstarrte.
»Was zum Teufel ist das, Papa?«, schnaubte er. »Was soll das?«
Valdimar zog sein rotes Taschentuch heraus und schnäuzte sich. »Das wirst du wohl besser wissen als ich, Junge«, sagte er leise. »Ich weiß gar nicht, wie das alles heißt. Ich habe es im Schrank bei deinem Bruder gefunden.« Er nahm eine kleine Plastiktüte mit weißem Pulver, hielt sie gegen das Licht und ließ sie dann wieder auf den Haufen neben sich fallen. »Du weißt das schon lange, nicht wahr?«, fragte er und sah dabei Birgir zum ersten Mal direkt in die Augen. »Das hast du doch damals in der Nacht gemeint, nicht wahr? Dass dein Bruder … dass unser Halldór … Warum hast du nie etwas gesagt? Hat er dich vielleicht sogar dazu verführt? War es unser Dóri, der …?« Wieder griff er zu seinem Schnupftuch und schnäuzte sich. »Warum hast du nie etwas gesagt, Biggi?«
Birgir zog sich die Socken an, stand auf, zündete sich eine Zigarette an und setzte sich wieder. Betrachtete seinen Vater eine ganze Weile, bevor er sich vorbeugte und die Ellbogen auf die Knie stützte. Er blies ihm den Rauch ins Gesicht und nahm einen weiteren
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