Blutberg - Kriminalroman
Übung aber unvermittelt ab. In seinem Magen rumorte etwas, das ihm
gar nicht gefiel. »Entschuldigt«, sagte er, »ich muss mal kurz verschwinden.«
Das Mittagessen, Frikadellen mit brauner Sauce, zuckergebräunten Kartoffeln, Erbsen und Rotkohl hatte lecker geschmeckt. Ebenso die Brottorte mit Mayonnaise-Salat, die er sich zum Kaffee einverleibt hatte. Möglicherweise hat Katrín doch nicht so unrecht, überlegte er, während er den Korridor so eilig entlangtrabte, dass es im ganzen Holzhaus widerhallte. Vielleicht ist das am Ende doch keine vernünftige Ernährungsweise.
Róbert hüpfte aus dem Pickup und schaute sich prüfend um, sah aber niemanden. Er hievte den Karton vom Beifahrersitz und ging zu der Baracke. Obwohl nirgends Licht zu sehen war, klopfte er sicherheitshalber an die Tür, bevor er hinter die Baracke schlich und das Fenster aufstemmte. Das ging genauso einfach wie beim ersten Mal, und er kroch hinein in das Dunkel, schloss das Fenster und leerte den Karton vorsichtig. Als alle dreißig Stangen wieder an Ort und Stelle waren, beeilte er sich zur Tür hinauszukommen und machte sie hinter sich zu. Die ersten Meter fuhr er ohne Licht.
Sein Herzschlag verlangsamte sich erst, als er wieder im Gemeinschaftsraum war. Er setzte sich mit einem Bier an einen freien Tisch. Am Nachbartisch waren einige Chinesen in ihr Kartenspiel vertieft. Weshalb spielten diese Leute andauernd Karten?
Er hatte die Idee gut gefunden, auf die ihn der Baggerführer gebracht hatte. Wer sagt, dass die aufgehört haben zu sprengen?, hatte er gefragt, und in dem Moment war die Idee geboren. Mehr Explosionen, mehr Erdrutsche, hatte Róbert gedacht, das würde vielleicht etwas in Bewegung setzen, würde die Leute dazu bringen, in Sicherheitsfragen endlich mal Nägel mit Köpfen zu machen. So waren seine Überlegungen
gewesen, aber glücklicherweise hatte er den Plan doch wieder verworfen.
»Idiot«, beschimpfte er sich selbst, während er an seinem Bier schlürfte und die vier Chinesen beobachtete, die ein Spiel spielten, das er nicht kannte. Was hätte er auch sprengen sollen? Und was hätte das geändert? Jetzt hatte er eine sehr viel bessere Idee, wusste sehr genau, wie er sofortige Verbesserungen erzwingen konnte. Eigentlich hatte er das auch schon lange vorher gewusst, aber er hatte sich dagegen gewehrt, zu solchen Methoden zu greifen, weil das seiner inneren Überzeugung zuwiderlief. Wenn die Menschen jedoch weder auf Argumente noch auf legitime und häufig gestellte Forderungen hörten, zwangen sie einen einfach, so etwas zu tun.
Róbert betrachtete die eigene sexuelle Neigung oder die von anderen nicht als programmatisches Anliegen und protestierte lauthals, wenn jemand forderte, dass alle Schwulen sich outen sollten, und wenn sie das nicht freiwillig taten, müssten sie dazu gezwungen werden. Wenn Leute ihre sexuellen Neigungen unbedingt publik machen mussten, war es ihre Sache. Wenn Leute sich nicht outen wollten, sollten sie das dürfen und nicht deswegen behelligt werden. Das galt natürlich auch für Matthías. Aber wenn Leute sich weigerten, wiederholten und berechtigten Forderungen nach verbesserten Arbeitsbedingungen für die Belegschaft nachzukommen, wie Matthías es tat, war es selbstverständlich mehr als gerechtfertigt, ihnen zu drohen, die Katze aus dem Sack zu lassen.
» A man’s gotta do what a man’s gotta do «, murmelte er und blies in die Flasche. Er würde mit Matthías reden. Der einzige Mann hier auf dem Gelände, den er zu etwas zwingen konnte.
Es klopfte leise an der Tür, und Eydís steckte den hellen Bubikopf durch den Spalt. Stefán bedeutete ihr hereinzukommen. »Gibt’s etwas Neues?«
»Nicht viel. Der Hund - Entschuldigung, Friðjón - ist in Reykjavík, und sie untersuchen die Fingerabdrücke und alles andere. Sie geben dir sofort Bescheid, sobald etwas vorliegt. Ich habe nur überlegt, braucht ihr mich hier eigentlich noch?«
Stefán überlegte. »Eigentlich nicht«, gab er zu. »Zumindest im Augenblick nicht. Ich fände es aber nicht schlecht, wenn du in der Nähe wärst, falls noch etwas passieren sollte.«
»Ich weiß, aber Friðjón will unbedingt, dass ich nach Reykjavík komme, bei uns ist die Hölle los.« Sie lächelte entschuldigend. »Das ist eigentlich immer so.«
»Ja, doch, das verstehe ich«, sagte Stefán. »So ist das halt.«
»Ich werde bald aufbrechen. Eines noch - ich weiß nicht, ob ihr Interesse daran habt, aber trotzdem. Es ist ja schließlich immer
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