Blutberg - Kriminalroman
der Grünen Armee steckt. Wenn wir jetzt etwas unternehmen, weiß er, dass wir ihn beschatten, und hält sich zurück. Zudem besteht die Möglichkeit, dass wir weder in seinem Zimmer noch auf der Krankenstation irgendetwas finden. Das ist eindeutig ein intelligenter Typ, und ich bezweifle sehr, dass wir bei ihm im Schrank irgendwelche Beweise finden, mit denen wir ihn festnageln könnten.«
»Na schön, in Ordnung«, brummte Steinþór. »Machen wir es so.« Er sah auf die Uhr. »Halb zehn. Ich hoffe, dass Auðunn nicht im Auto eingeschlafen ist.« Er gähnte und trank einen großen Schluck von dem Pseudokaffee. »Also, am besten nutzen wir die Zeit zu etwas Vernünftigem, oder willst du nur da
rumsitzen und in der Nase bohren, solange wir warten? Wie wär’s, wenn wir uns noch einmal den Fall Ásmundur ansehen würden?«
Die Zeitungen hatten es vor Redaktionsschluss nicht geschafft, Schlagzeilen über die Razzia in Kópavogur zu bringen, aber die Rundfunkstationen gingen darauf ein, obwohl diese Meldung etwas im Schatten der immer noch aktuellen Nachrichten über die Massenverhaftungen in Kárahnjúkar und den Streit über die Zulässigkeit solcher Maßnahmen standen. Außerdem rätselte man darüber, wieso das SEK zum zweiten Mal dorthin geschickt wurde. Die Opposition und diese und jene Sachverständigen kritisierten das SEK, den IKA-Präsidenten und den Justizminister scharf wegen der Festnahmen und verlangten Rücktritte, Entschuldigungen, Untersuchungen und fristlose Entlassungen. Wieder andere Sachverständige, und mit ihnen der IKA-Präsident, der Justizminister und die Regierungsparteien wiesen Kritik dieser Art scharf zurück und gaben sich jede erdenkliche Mühe, diese Maßnahmen angesichts der unerhörten Bedrohung durch eine Terrororganisation wie die Grüne Armee zu rechtfertigen. Der IKA-Chef weigerte sich, irgendwelche Kommentare zu dem erneuten Einsatz des SEK verlautbaren zu lassen, und dementierte gleichzeitig das Gerücht von einer weiteren Drohung seitens der Grünen Armee, das einigen Reportern zu Ohren gekommen war.
Svavar hingegen geizte ganz entgegen seinen Gewohnheiten diesmal nicht mit Informationen, zumal auch die Razzia in Kópavogur erfolgreich verlaufen war. Erst als die Reporter ihn noch einmal zu dem Bergsturz befragten, kehrte er zur gewohnten Manier zurück und beantwortete sämtliche Fragen in derselben Weise: Die Ermittlungen liefen weiter, bislang habe man nichts ausschließen können. Worüber sich
Stefán trotz allem freute, als er das hörte. Wesentlich unerfreulicher fand er aber Svavars Antworten auf die Frage nach dem Verbleib dieser achtzehn Frauen, von denen die meisten aus dem Baltikum stammten, zwei aus nicht näher bezeichneten afrikanischen Ländern und eine aus Rumänien. Diese Angelegenheit lag jetzt in den Händen des IKA und der Ausländerbehörde. Was nur eines bedeuten konnte: Sie würden vernommen werden, um ihre Aussagen bei den Prozessen gegen Jón und Viktor und eventuell noch andere Männer zu verwenden, die möglicherweise in die Sache verwickelt waren, und anschließend so schnell wie möglich in ihre jeweiligen Heimatländer abgeschoben werden.
»Von wo aus sie gleich wieder in den nächsten Puff in einem anderen Land geschickt werden«, brummte er voll Bitterkeit über seiner Forelle.
»Das ist ziemlich wahrscheinlich«, pflichtete Ragnhildur ihm bei, »aber was kann man da machen?«
»Machen könnte man einiges«, sagte Stefán, »wenn der Wille dazu vorhanden wäre. Aber das ist er wahrscheinlich nicht.«
Eine Vertreterin der Frauenselbsthilfe gegen sexuelle Gewalt war offensichtlich auch seiner Ansicht, als sie in der Nachrichtensendung interviewt wurde, und Katrín ebenfalls, als sich alle am Nachmittag wieder im Hauptdezernat trafen.
»Die werden bloß abgeschoben«, erklärte sie böse, »da gehe ich jede Wette mit euch ein. Direkt zurück in die dreckigen Klauen von denselben verfluchten Arschlöchern, die sie dazu gezwungen und sie nach Island verkauft haben wie Vieh. Und dann brüsten sich diese Typen noch damit, dass hier alle Ausländer gut in Empfang genommen werden und eine gerechte Behandlung erhalten. Das ist doch zum Kotzen.«
Ganz entgegen seinen Gewohnheiten widersprach Guðni ihr nicht.
Daraufhin wandten sie sich den anliegenden Aufgaben zu. Stefán delegierte die weitere Bearbeitung des Bergsturzes an Katrín, in Zusammenarbeit mit dem Amt für Arbeitsschutz.
»Das Ganze ist sowieso praktisch mehr oder weniger
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