Blutberg - Kriminalroman
inzwischen deren Sache«, sagte er. »Sie werten diese Vernehmungsprotokolle und den Brief von Ásmundur und dergleichen aus, du brauchst ihnen also bloß im Bedarfsfall behilflich zu sein.«
Als der Tag verging, ohne dass sich etwas ereignete, gestattete Katrín es sich, kurz nach drei Feierabend zu machen, um vor den Kindern zu Hause zu sein. Sie warf sämtliche Prinzipien über den Haufen, hielt auf dem Heimweg bei einer Bäckerei und kaufte sowohl Schnecken als auch Schmalzkringel.
Árni beschloss, auf frittierten Fisch und Pommes zu verzichten. Er holte sich stattdessen einen Joghurt und setzte sich zur Grünen Armee. Der Junge hieß Margeir. Am liebsten hätte Árni sich woanders hingesetzt, aber Margeir hatte ihm zugewinkt, als er die Kantine betrat, und auf einen Stuhl an seinem Tisch gedeutet, deswegen war es eigentlich nicht möglich gewesen, etwas anderes zu tun, als dieser Einladung zu folgen. Sie unterhielten sich über das Wetter, das Essen, die Isolation und das SEK, über Musik und über Viktor. Margeir fand kaum Worte, die stark genug waren, um seiner Empörung über diesen Mann Ausdruck zu verleihen und über den Mord an Ásmundur, der jetzt in Kárahnjúkar in aller Munde war, über den Bergsturz und die Brücke. Und dann erzählte Margeir von sich aus, dass seinen Informationen zufolge mindestens sechs, wenn nicht sogar acht Portugiesen in diversen Bauwerken auf dem Gelände einbetoniert seien.
»Vielleicht sind es auch Chinesen, das vergess ich immer wieder«, fügte er hinzu und lachte. »Hier sind phantastische Geschichten im Umlauf, da gäbe es einiges zu recherchieren, Mensch.«
Einen Augenblick schoss Árni der Gedanke durch den Kopf, Margeir rundheraus zu fragen, wieso er gewusst hatte, dass er und kein anderer da auf der Brücke gewesen war, aber er widerstand der Versuchung. Árni verspürte einen kleinen Stich im Herzen, als sie sich nett verabschiedeten, und seine Vorfreude auf die Festnahme verringerte sich deutlich. Margeir war durchaus kein unsympathischer Mensch, fand er. Jemand, der auf die Stones, U2, Stranglers, Clash, Joy Division, die Ramones und Skunk Anansie stand, konnte doch nicht durch und durch schlecht sein, auch wenn er andere Punkbands, die Árni zum Teil gar nicht kannte, noch mehr schätzte. Scheiß was drauf, dachte er, ich schnapp ihn mir trotzdem.
Er hätte auch liebend gerne Ásta über den neuesten Stand der Dinge berichtet, als er sie anrief, bevor er ins Bett ging, aber es gelang ihm, auch dieser Versuchung zu widerstehen. Man konnte ja nie wissen, wer mithörte, und deswegen redete man am besten nur über belanglose Dinge. Es gelang ihnen, dieses unverbindliche Geplauder eine halbe Stunde lang richtig gut in Gang zu halten.
28
Freitag/Samstag
Als Stefán am Freitagmorgen zum Dienst erschien, lag eine rote Mappe mit der Aufschrift »dringend« mitten auf seinem Schreibtisch. Sie enthielt die ersten Ergebnisse der Spurenauswertung in den Unterkünften von Halldór und Ásmundur. Das kam später als erwartet, dachte er, griff zum Telefon, rief Friðjón an und wies ihn darauf hin, dass er das sofort per E-Mail an Steinþór schicken müsste, da die Ermittlung jetzt in dessen Händen lag. Der Hund knallte knurrend den Hörer auf die Gabel.
Bei Halldór hatte man zahlreiche Fingerabdrücke von diversen Personen gefunden, von denen aber nur einer registriert war. Die meisten Abdrücke gehörten offensichtlich demjenigen, der dort alles auf den Kopf gestellt hatte, sie befanden sich ebenfalls an der gelben Plastiktüte sowie an den abgepackten Drogen und den Notenbündeln. Dort hatte man aber auch die einzigen Fingerabdrücke gefunden, die in der Datenbank waren. Sie stammten von Birgir Valdimarsson, einem einschlägig bekannten Tunichtgut, achtundzwanzig Jahre alt. Stefán hätte sich ohrfeigen können, dass er bei diesem Namen nicht sofort geschaltet hatte. Zwar hatte er selber nie direkt mit dem Mann zu tun gehabt, aber er fand trotzdem, dass der
Groschen bei ihm etwas früher hätte fallen können. Er rief ihn in seinem PC auf, Birgirs Strafregister war ebenso lang wie bunt. Zwei Haftstrafen, eine für schwere Körperverletzung, die andere wegen schwerer Eigentumsbeschädigung und Diebstahls, und siebzehn Anklagen, die mit einem Vergleich vor Gericht und einer Geldstrafe endeten. Darüber hinaus zahlreiche Anzeigen, die aber niedergeschlagen worden waren, weil die Anzeige entweder auf Grund eines außergerichtlichen Vergleichs zurückgezogen oder
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