Blutberg - Kriminalroman
wegen ungenügender Beweislast abgewiesen wurde. Stefán wunderte sich kopfschüttelnd über sich selbst. Die Verbindung zu Kárahnjúkar, den Baggern, Valdimar und Halldór hatte anscheinend dazu geführt, dass er diesen Birgir nicht in Zusammenhang mit dem Mann gebracht hatte, dessen Strafregister er nun auf dem Bildschirm vor sich sah. Er war nur ein Name auf dem Papier gewesen, der Name eines Mannes, der seinen Bruder verloren hatte und ihn dann auch noch aus den Gesteinsmassen ausgraben musste. Stefán griff ein weiteres Mal zum Telefon und rief Steinþór an.
»Gibt’s was Neues?«, fragte er.
»Noch nicht. Wir warten hier ab. Er ist noch an seinem Arbeitsplatz.«
»Gut. Ich warte hier auch gespannt. Übrigens, Birgir Valdimarsson, klingelt es da vielleicht bei dir?«
»Selbstverständlich klingelt es da bei mir, ich kenne doch Birgir. Er ist der Sohn von Valdimar und der Bruder von Halldór. Und außerdem ein landbekannter Gewalttäter und Dieb, und bis vor kurzem war er drogenabhängig. Die klassische kriminelle Laufbahn, im Gegensatz zu seinem Bruder, der wohl etwas mehr im Kopf hatte. Du musst ihn doch auch kennen, weshalb fragst du?«
Stefán wurde immer ärgerlicher, obwohl er zu seiner Entschuldigung zumindest sagen konnte, dass er diesem Mann
nie von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden und erst jetzt herausgefunden hatte, wer er war.
»Ja ja, selbstverständlich kenne ich den Kerl vom Namen her«, gab er zu. »Ich habe bloß nicht kapiert, dass es genau dieser Birgir war, ich hab den Mann nicht mit Halldór in Verbindung gebracht. An diesem Ort. Hätte ich vielleicht tun sollen, aber …« Er beschloss, mit diesen Entschuldigungen aufzuhören, denn es war ja schließlich Steinþór, der ihn darauf hätte aufmerksam machen können, nicht umgekehrt. »Du hast aber doch von ihm gewusst«, fuhr er fort, »und bei Halldór wird eingebrochen und jede Menge Dope gestohlen, und du bist trotzdem der Meinung, dass es der Alte war und nicht der Junkie?«
»Ja«, entgegnete Steinþór eigensinnig, »ich fand, dass das auf der Hand liegt. Hätte Birgir das Zeug genommen, hätte er es mit Sicherheit nicht abgeliefert. Simple Logik. Was ist eigentlich los?«
Stefán stöhnte innerlich, ließ sich aber nichts anmerken. Es war nicht mehr sein Fall. Er gab Steinþór kurz die wichtigsten Ergebnisse des Erkennungsdienstes durch und versicherte, dass sie ihm vollständig per E-Mail zugeleitet würden.
»Aber die anderen Fingerabdrücke«, erklärte Steinþór siegessicher, »diejenigen, die sowohl auf der Tüte als auch überall in der Hütte zu finden sind, die stammen doch bestimmt von dem Alten, oder nicht? Deswegen war meine Schlussfolgerung sowohl logisch als auch vollkommen richtig. Also ich weiß wirklich nicht, weshalb du dich beschwerst.«
»Trotzdem hat aber auch Birgir an allem herumgefummelt«, wandte Stefán ein. »Seine Abdrücke sind nicht nur an der Tüte, sondern auch an allem, was drin ist. Wie erklärst du dir das?«
»Das brauche ich nicht zu erklären, das kann er selber tun. Vielleicht hat er das Zeug und das Geld bei dem Alten gefunden
und vorgehabt, sich das Ganze unter den Nagel zu reißen, und der Alte hat es verhindert. Vielleicht ist er aber auch inzwischen clean und hat seinem Vater geraten, das abzuliefern. Wie müssen uns einfach Vater und Sohn vorknöpfen, wenn sie zurückkommen.«
»Zurückkommen?«, echote Stefán.
»Ja. Sie mussten nach Hause wegen der Beerdigung. Soweit ich weiß, ist die am Montag. Aber jetzt entschuldige mich, wir hören voneinander.« Er brach das Gespräch abrupt ab, und Stefán klang das Tuten in den Ohren.
»Nicht zu fassen, was für ein Rhinozeros das ist«, brummte Stefán. Er legte den Bericht über Halldórs Apartment beiseite und nahm sich stattdessen den über Ásmundur vor. Bei ihm waren wesentlich weniger Fingerabdrücke gefunden worden als bei Halldór, was Stefán nicht überraschte. Die Überraschung stellte sich jedoch ein, als er las, dass zwei von ihnen registriert waren, und zwar von einem Zeige- und Mittelfinger ein und derselben Hand. Sie befanden sich im oberen Bereich innen an der Schranktür, und sie stammten von Birgir Valdimarsson.
Ricardo kühlte seine Stirn an der kalten Fensterscheibe und beobachtete das Geschehen draußen. Hin und wieder richtete er sich auf, um einen Schluck Wein zu trinken und den Dunst von der Scheibe zu wischen, bevor er sich wieder an sie lehnte. Er fand das sehr amüsant. Isländische
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