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Blutberg - Kriminalroman

Blutberg - Kriminalroman

Titel: Blutberg - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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in den kleinen Arbeitsschuppen ging, sogar dann, wenn er in der Ferne schon den nächsten Kipper den Hang herunterkommen sah. Jorge dagegen hatte die Schicht von Mittag bis Mitternacht, und er blieb immer an Ort und Stelle und suchte meist Schutz unter einem Felsvorsprung. Und es musste gegen acht sein, denn das ermöglichte es mir, ein bisschen mehr Zeit zu gewinnen, ohne dass irgendein Verdacht aufkam. So glaubte ich zumindest.

    Ich halte manchmal Besprechungen - ach, Besprechung ist eigentlich zu viel gesagt -, ich trommle manchmal sämtliche Jungs, die für mich arbeiten, zum Frühstück zusammen, und dann besprechen wir die Lage und die Weltpolitik und die isländische Politik über einer Tasse Kaffee oder spielen eine Runde Karten. Meine Leute in den Steinbrüchen setzen sich auch für eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten ab, und währenddessen werden keine Wagen beladen, die müssen solange warten. Ihr nehmt das doch ganz sicher auf?«
    »Ja«, bestätigte Stefán nickend.
    »Gut. An diesem Morgen habe ich meine Jungs noch etwas länger als gewöhnlich festgehalten, bis ich die Gewissheit haben konnte dass auch der letzte Kipper seine Fuhre abgeladen hatte und Jesus im Schuppen war. Ihr müsst bedenken, dass man oben vom Weg nicht in die Schlucht hinuntersehen kann, höchstens einen schmalen Streifen auf der gegenüberliegenden Seite. Außerdem ist da außer uns nie jemand, keine Menschenseele. Nur der Kippmann, die Baggerführer und die Kipper, wenn sie mit ihrer Ladung kommen. Aber weiter. Als ich diese Gewissheit hatte, sagte ich den Jungs, sie bräuchten sich bei diesem Wetter nicht zu beeilen, und sie schienen auch nichts dagegen zu haben, die Pause noch ein bisschen zu verlängern. Ich schlich dann aus dem Haus und zu meinem Wagen, den ich so geparkt hatte, dass er von den Fenstern der Kantine aus nicht zu sehen war, und fuhr zu den Zündschnüren. Ich stellte die Scheinwerfer ab, stellte den Zündkontakt her und sprengte. Anschließend sammelte ich die Zünduhr und die noch herausstehenden Zündschnüre ein und kehrte so schnell es ging zurück ins Camp. Das hat insgesamt kaum fünf Minuten gedauert, unser Camp ist ja ganz in der Nähe der Schlucht, und dann habe ich alle wieder an die Arbeit getrieben.«
    Valdimar musste mehrmals heftig schlucken, und seine
Stimme klang auch nicht mehr so monoton und sicher wie anfangs. »Dann machte ich mich selbst auf den Weg zur Arbeit und Birgir mit mir. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für ein Schock das für mich war, als ich entdeckte, dass Jesus nicht in seinem Schuppen war. Dann strömten Leute herbei, und einige sagten, dass vielleicht noch andere unter den Gesteinsmassen begraben sein könnten, weil da wenige Minuten vorher irgendwelche Ausländer zusammen mit ein paar Isländern auf dem Weg in die Schlucht gewesen waren. Ich war zu Tode erschrocken, denn ich erinnerte mich auf einmal, dass mein Halldór am Abend vorher gesagt hatte, er würde uns vielleicht am nächsten Tag unten in der Schlucht besuchen. Er hatte aber keinen genauen Zeitpunkt genannt und auch nicht, dass er dort mit anderen Leuten unterwegs sein würde.«
    Valdimar zog ein Taschentuch heraus und schnäuzte sich gründlich, trank einen Schluck Wasser und schnäuzte sich noch einmal.
    »Ich hoffte, nein, ich beschloss, dass das alles Unsinn war, mein Junge war nicht dort, er konnte gar nicht dort sein. Meine Frau und ich haben vor vielen Jahren eine Tochter verloren, unsere Dísa. Halldór lag da noch in der Wiege, und Birgir war noch nicht geboren. Das war furchtbar, furchtbar für mich, aber noch viel schlimmer für meine Frau, und ich durfte gar nicht daran denken, was …« Valdimar zog die Nase hoch. »Nun denn. Ich versuchte immer wieder, ihn anzurufen, aber er antwortete nicht. Ich klammerte mich an die Hoffnung, bis wir ihn fanden. Danach habe ich weitergebaggert, weil ich wusste, dass Jesus auch irgendwo dort sein musste. Ich war ihm schließlich schuldig, ihn da herauszuholen, das war wohl das Mindeste. Und außerdem musste ich einfach irgendetwas tun. Aber es war nicht Jesus, den wir fanden, sondern Jorge. Sie hatten die Schicht getauscht, doch davon
wusste ich nichts. Ich wollte nicht, dass irgendjemand zu Schaden käme. Ich wollte meinen Halldór nicht umbringen.«
    Valdimar verstummte und sah auf seine Hände. Stefán wartete eine Weile, bevor er seine Hand nach dem Aufnahmegerät ausstreckte, doch da blickte Valdimar hoch und schüttelte den Kopf.
    »Ich bin noch

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