Blutberg - Kriminalroman
zum Teufel hat sich das so schnell herumgesprochen?«, stieß Matthías hervor. Allen, die um den Tisch herumsaßen, war es anzusehen, dass er nicht der Einzige war, der sich darüber ärgerte, doch außer Róbert schien sich niemand über Matthías’ Reaktion zu wundern.
»Willst du damit etwa zum Ausdruck bringen, dass das etwas anderes als dummes Gerede ist?«, fragte er entgeistert.
Matthías begriff, dass er zu viel gesagt hatte. »Ja«, gab er
zögerlich zu, »oder eigentlich eher Jein. Das mit dieser Explosion ist natürlich nur ein Gerücht, nichts deutet darauf hin, dass etwas dahintersteckt. Es stimmt allerdings, dass dieser Portugiese, der überlebt hat, es in die Welt gesetzt hat.« Urplötzlich schlug er mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass sämtliche Trinkgefäße tanzten. »Dieser Freund, der ihn nach Reykjavík begleitet und mit der Polizei gesprochen hat, der muss irgendwelche Kumpel hier angerufen haben, verflucht noch mal!« Die dünne Tischplatte bekam ein weiteres Mal seine Faust zu spüren, bevor er sich zusammenriss, sich zweimal räusperte und sich dann etwas gefasster Róbert zuwandte. »Und was, ahem, was reden eigentlich die Leute sonst noch?«
Aller Augen waren jetzt nicht mehr auf Matthías, sondern auf Róbert gerichtet, der sich gebührend Zeit für seine Antwort nahm.
»Die wildesten Theorien sind im Umlauf«, sagte er schließlich, »und wenn ich wild sage, meine ich das auch. Angefangen von original-isländischen Gespenstern bis hin zu internationalen Terroristen und so ziemlich alles dazwischen.« Er sah Matthías an und legte den Kopf schräg. »Ich würde allerdings außerordentlich gerne wissen, weshalb du dir so sicher bist, dass das völlig aus der Luft gegriffen ist. Hat man das denn bereits untersucht?«
Wieder explodierte Matthías, und die kunststoffüberzogene Tischplatte bekam ein weiteres Mal seinen Zorn zu spüren. »Untersuchen? Da braucht verdammt noch mal nichts untersucht zu werden! Kein halbwegs vernunftbegabter Mensch würde auf den Gedanken kommen, dass das etwas anderes als ein Unfall war! Wer würde denn auf die Idee kommen, so etwas zu tun, sechs Menschen auf einen Schlag umzubringen? Hier bei uns in Island?« Er ließ den Blick nach Zustimmung heischend in die Runde schweifen, und die bekam er
von einigen nickenden Untergebenenköpfen. »Man braucht doch einfach nur gesunden Menschenverstand anzuwenden, um zu sehen, dass das Schwachsinn ist«, fuhr er fort, »kompletter Schwachsinn.«
Die meisten nickten immer noch zustimmend, aber Róbert ließ sich dadurch nicht beirren.
»Trotzdem ist es genau das, worüber alle hier reden«, sagte er ruhig. »Und auch das, was alle hier glauben. Natürlich nicht alle, klar, aber sehr viele. Darunter auch Isländer«, beeilte er sich hinzuzufügen, als er sah, dass Matthías zu einer Entgegnung ansetzte. »Und vielleicht in erster Linie deswegen, weil ein weiteres Gerücht hier die Runde macht, nämlich dass heute Abend Kripobeamte aus Reykjavík eingeflogen werden. Die würden ja wohl kaum hier aufkreuzen, wenn alles in Butter wäre. Stimmt das oder ist das tatsächlich nur ein Gerücht?«
Die Röte bei Matthías, die sich bislang nur auf seine Adlernase beschränkt hatte, breitete sich jetzt über das ganze Gesicht und den ziemlich haarlosen Schädel aus. Ein weiteres Mal ging seine Faust in die Luft, aber er stoppte sie im letzten Moment ab und zuckte kapitulierend die Schultern. »Nein«, gab er zu, »das ist kein Gerücht.« Er schüttelte ärgerlich den Kopf. »Aber es muss keineswegs bedeuten, dass da irgendetwas nicht stimmt. Das war ein schrecklicher Unfall, und abgesehen von den Menschenleben, die das Meer gefordert hat, ist es der größte Arbeitsunfall in der isländischen Geschichte. Deswegen ist es kein Wunder, dass die Polizei das unter die Lupe nimmt. Alles andere wäre im Grunde genommen unnormal.« Wieder blickte Matthías in die Runde, um Bestätigung zu bekommen, und immer noch gab es einige Köpfe, die zustimmend nickten, doch es waren bereits weniger geworden. »Und die Lage wird keineswegs besser, wenn die anfangen, hier herumzuwieseln und alle nach allem auszufragen«,
stieß er hervor. »Da sich das schon so herumgesprochen hat, werden wir als Nächstes die Zeitungsfritzen am Hals haben und die ganze Bagage vom Radio und vom Fernsehen. Die haben sich sowieso schon wie die Geier auf die Geschichte gestürzt, und was werden die erst veranstalten, wenn ihnen dieses Gerücht zu Ohren
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