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Blutberg - Kriminalroman

Blutberg - Kriminalroman

Titel: Blutberg - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sich sofort einen Jeep gemietet und sind losgebraust. Als die Maschine ankam, war die Strecke gerade geräumt worden.« Er trank einen Schluck Kaffee und zog eine Schnupftabakdose hervor.
    »Typisch«, brummte Stefán.
    »Was?«
    »Ach, nichts.«
    »Der Mann kam mir bekannt vor, war er nicht im vergangenen Jahr in Neskaupstaður?«, fragte der Amtmann, während er ein kleines Häufchen auf den Handrücken gab. »Wegen der Leiche, die im Hafen gefunden wurde?«

    Stefán nickte. »Ja.«
    »Das dachte ich mir, war eine schlimme Angelegenheit.« Er saugte mit einem Ruck das ganze Pulver ins linke Nasenloch. »Und dann haben die nur zweieinhalb Jahre bekommen«, murmelte er in das karierte Taschentuch, das er nach dem Schnupfen aus der Tasche gezogen hatte. »Wie denkt ihr darüber?«
    »Kein Kommentar«, sagte Stefán zurückhaltend. Er hatte schon lange aufgehört, sich den Kopf über Gerichtsurteile zu zerbrechen, und schärfte in regelmäßigen Abständen seinem Team ein, sich nicht durch absonderliche Kapriolen der isländischen Justiz vom Kurs abbringen zu lassen. Ihre Aufgabe war es schlicht und ergreifend, in den ihnen übertragenen Fällen gewissenhaft und genau zu ermitteln, die Ergebnisse an den Staatsanwalt weiterzuleiten und, falls erforderlich, in den Zeugenstand zu treten. Punkt. Was danach geschah, stand nicht mehr in ihrer Macht, und es brachte überhaupt nichts, wenn man sich darüber aufregte. Solange die Leute härtere Strafen dafür bekamen, ein paar Kilo Hasch einzuschmuggeln, als für grobe Körperverletzungen und Vergewaltigungen, von denen die Opfer fast immer für den Rest ihres Lebens gezeichnet waren, konnten derartige Überlegungen nur auf zweierlei Weise enden: Entweder ging man dazu über, in den Ermittlungen in Übereinstimmung mit den Schwerpunkten der Gerichte zu priorisieren, statt nach dem eigenen Gewissen und Gerechtigkeitsgefühl zu handeln, oder man wurde depressiv und schmiss alles hin. Und keine dieser Optionen war gut.
    Stefán verschonte aber ausnahmsweise den Amtmann und die anderen mit einem Vortrag dieser Art. Jedoch nicht, weil er glaubte, er habe sich schon zu oft darüber ausgelassen, sondern weil plötzlich die Schwingtür aufgerissen wurde. Drei Männer und eine Frau kamen aus der Lobby des Hotels zu ihnen hereingestürmt.

    »Ich glaube, das ist für dich«, sagte Stefán zum Amtmann und deutete in Richtung der vier Leute, denen offensichtlich einiges auf der Seele brannte. Einer der Männer hatte drei Kameras um den Hals hängen, und der andere schwenkte ein Mikrofon. Der Amtmann drehte sich in seinem Sessel um.
    »Oh«, sagte er und erhob sich, »verdammt noch mal.« Kaum war er aufgestanden, kam der fünfte Reporter angerannt. Er trug eine Filmkamera auf der Schulter, und ihm folgte der sechste auf den Fersen, ebenfalls mit einem gezückten Mikrofon. Und der letzte sollte der erste sein, wie es manch mal der Fall ist.
    »Soweit wir wissen, wurde der Bergsturz durch eine Explosion ausgelöst«, sagte er keuchend. »Stimmt das? Geht ihr davon aus, dass es sich um vorsätzlichen Mord handelt?«
     
    Die Erleichterung, die Viktor verspürte, als er zu dem Schluss gekommen war, dass Björns Tod ihn aus der furchtbaren Zwangslage befreien würde, in die er sich selber hineinmanöv riert hatte, war verflogen, als er am Sonntagmorgen erwachte, und im Lauf des Tages mehrten sich seine Zweifel wieder. Nach und nach ging ihm auf, dass die Sache keineswegs so simpel war, denn er konnte ja nicht einfach mir nichts, dir nichts aufhören. Auch wenn er nicht mehr zu denen hinfuhr, bedeutete das nicht, das alles ausgestanden war. Er musste höchstwahrscheinlich seinen Verpflichtungen wohl oder übel noch eine ganze Weile nachkommen, und sei es auch nur seines Gewissens wegen. Etwas anderes wäre denjenigen gegenüber, die darauf vertrauten, dass er das seine tat, nicht fair gewesen. Er kicherte höhnisch. Pflichten, Gewissen, Anstand, nichts weniger als das. Fehlte bloß, dass er auch noch seinen ärztlichen Eid ins Feld führte, um diesen Sumpf zu rechtfertigen, in den er geraten war. Aber trotzdem verhielt es sich so. Er trug unbestreitbar eine
Verantwortung, der er sich nicht guten Gewissens entziehen konnte.
    Als er am frühen Abend ins Bett kroch, hatte er angefangen, an seinen Nägeln zu kauen und sich nach dem Cognac zu sehnen, den er in der Krankenstation aufbewahrte; das schwere Abendessen lag ihm im Magen, und er fühlte sich todmüde nach den Anstrengungen der letzten

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