Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutberg - Kriminalroman

Blutberg - Kriminalroman

Titel: Blutberg - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
und versuchte zu begreifen, was eigentlich in den Köpfen dieser Naturschützer vorging, kam aber zu keinem Ergebnis. Er selbst sortierte sehr gewissenhaft seinen Müll, er hatte sich sogar eine Kompostanlage im Garten für den organischen Abfall eingerichtet und versuchte nach besten Kräften, in allen Bereichen den eigenen Beitrag zur Umweltverschmutzung zu reduzieren. Er war nämlich überzeugt vom Wahrheitsgehalt der Weltanschauung, derzufolge jedes Individuum für seinen eigenen Dreck verantwortlich ist und ihn zugunsten kommender Generationen einschränken sollte. Diese seine Überzeugung führte ihn aber nicht zu der Schlussfolgerung, dass deswegen auf dieser Insel nichts angetastet werden durfte. Die Aussicht, die sich ihm zurzeit bot, änderte daran nicht das Geringste. Außer dem braunen Gletscherfluss,
der sich unter der Brücke durchwälzte, sah man nichts als Schotter und Geröll. Natürlich war das in gewissem Sinne wild und großartig, vielleicht sogar auch grandios, aber er konnte nicht verstehen, warum es für nachfolgende Generationen eine Rolle spielen sollte, ob die Gegend hier unter Wasser gesetzt wurde oder nicht. Vielleicht bin ich kurzsichtig, dachte er, während er gleichzeitig froh und dankbar war, dass er keine Übelkeit verspürte, obwohl er mitten über dem klaffenden Abgrund schwebte. Vielleicht bin ich auch einfach nur beschränkt, vielleicht müsste ich das einmal im Sommer sehen. Er blickte wieder nach draußen und korrigierte sich: Vielleicht sollte ich das überhaupt erst mal richtig sehen. Man konnte ja wirklich nicht sagen, dass er irgendetwas gesehen hatte. Bei dieser miserablen Sicht hätte eine ganze Rentierherde an ihm vorbeitrappeln können, ohne dass er es merkte, vorausgesetzt, dass die Tiere so schlau waren, sich in etwa zwanzig Metern Entfernung zu halten.
    Fünfzehn Minuten später knarrte es im Funkgerät und ein ungewöhnlich verzerrt klingender Stefán gab die Anweisung, dass sie zurückkommen konnten.
    »Wer noch nicht gegessen hat«, verkündete er, »kann das jetzt tun. Wer abreisen will, kann abreisen. Die anderen treffen sich um halb zwei zu einer Besprechung in der Kantine, jeder bezieht das für ihn Geltende auf sich. Bis dann.«
    »Okay«, sagte Árni, »du hast gehört, was er gesagt hat. Fahr los.« Der Junge legte den Rückwärtsgang ein und setzte mit Karacho zurück. Sobald sie festen Boden unter den Füßen hatten, wendete er. Eine Handbremsenkurve. Gut gemacht, dachte Árni, fand das aber trotzdem ein bisschen infantil. Verdammt, ich werde alt, dachte er. Kaum hatten sie die Brücke hinter sich, passierte es.
    Die Erde unter den Reifen erzitterte einen Sekundenbruchteil, bevor sie die Detonation hörten. Der Junge stieg
voll auf die Bremse. Das Dröhnen schien aus allen Richtungen zu kommen, trotzdem blickten sie beide zurück.
    »Heiliger Strohsack«, sagte Árni und sog die Luft scharf ein. Er sprang aus dem Jeep, rannte nach hinten und starrte mit offenem Mund auf den Anblick, der sich ihm bot.
    »Was zum Teufel ist hier los?«, fragte der Rotschopf, der ebenfalls ausgestiegen war.
    »Ich … wir …« Árni verstummte und schüttelte den Kopf. Es hatte ihm die Sprache verschlagen. Obwohl die Sicht kein bisschen besser war als zuvor, reichte sie dennoch aus, um zu sehen, dass die Brücke über den Gletscherfluss, auf der sie eben noch gestanden hatten, eine ganz andere und erheblich schiefere Form angenommen hatte.

12
    Montag
    Im nächsten Augenblick war die Hölle los. Zuerst in Kárahnjúkar, wo sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete, und innerhalb von fünf Minuten, nachdem die Brücke beinahe von ihren Befestigungen abgesprengt worden war, herrschte praktisch auf dem gesamten Gelände Ausnahmezustand. Aufgebrachte und verschreckte Menschen sammelten sich in kleineren und größeren Gruppen und empörten sich in diversen Sprachen. Wohin man auch blickte, wurden Handys gezückt, und ein paar Minuten später brach das Netz unter der Belastung zusammen. Das trug nicht dazu bei, die Stimmung unter den Arbeitern zu verbessern, die anschließend zuhauf zum Brückenende strömten und ratlos und wütend die Brücke anstarrten, die gefährlich schräg hing, da eine Halterung abgesprengt worden war.
    Es gab nur wenige Überlandleitungen für das Festnetz von Kárahnjúkar, sie hielten ebenfalls der Belastung nicht stand, und kurz nach ein Uhr war das gesamte Telefonnetz zusammengebrochen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten die Nachrichten bereits

Weitere Kostenlose Bücher