Blutberg - Kriminalroman
einer Antwort, denn Stefáns Handy begann zu klingeln. »Stefán«, sagte er. »Ja.« Árni bat Guðni flüsternd darum, ihm zu sagen, was er verpasst hatte, aber Stefán bedeutete ihnen zu schweigen. »Ja, alles klar, danke.« Er beendete das Gespräch, steckte das Handy in die Tasche und blickte auf die Uhr. »In gut einer halben Stunde«, sagte er ungewöhnlich heiser, »genauer gesagt nach sechsunddreißig Minuten wird sich herausstellen, ob die Grüne Armee Witze macht oder es ernst meint. Die sechzehnte E-Mail ist eingetroffen, und derzufolge läuft das Ultimatum Punkt zwölf Uhr ab.«
»Und was passiert dann?«, fragte Katrín.
»Das stand nicht darin, genauso wenig wie zuvor«, sagte Stefán kopfschüttelnd und sah Eydís an. »Versuch bitte, Friðjón zu erreichen, und richte ihm aus, dass er noch etwas bleiben soll.« Sie nickte und ging mit dem Handy in der Hand auf den Flur. »Und wir«, fuhr Stefán fort, »wir verteilen uns, so gut wir können, über das Gelände.«
»Steht es denn fest, dass es hier passieren soll?«, fragte Katrín. »Das heißt, falls überhaupt etwas passiert?«
Stefán schüttelte wieder den Kopf, diesmal ungeduldig. »Was meinst du eigentlich?«
»Einfach so. Ich hab vorhin nur überlegt, dass in diesen Schreiben nichts darüber steht, was oder wo etwas passieren soll. Könnte das nicht genauso gut in Reykjavík sein? Oder in Akureyri? Oder wo auch immer?«
Stefán nahm sich die Kappe vom Kopf und kratzte sich. »Vielleicht. Aber wir sind hier und nicht wo auch immer.« Er setzte seine Kappe wieder auf. »Wo zum Teufel ist dieser Lárus - er ist doch angeblich Sicherheitsbeauftragter hier? Haben wir nicht die Handynummer von diesem Menschen?«
Katrín holte ihr Handy aus der Tasche, gab eine Nummer ein und reichte es Stefán. Der schüttelte abwehrend den Kopf. »Sprich du mit ihm, sag ihm, er soll schleunigst hierherkommen. Sag ihm, dass er sich unterwegs überlegen soll, wie wir uns am besten verteilen, damit die neuralgischsten und wichtigsten Orte abgedeckt sind, und bitte ihn, Autos mit Fahrern für uns bereitzustellen, um uns dorthinzubringen, denn wir kennen uns ja hier nicht aus. Und das ganze Werksgelände muss geräumt werden, da darf sich niemand ohne triftigen Grund herumtreiben.« Stefán nickte Steinþór und Auðunn zu, die wie von der Tarantel gestochen aufsprangen. »Habt ihr eine Ahnung, wo sich unsere Geheimdienstler befinden?« Die Mienen der beiden verrieten völlige Verständnislosigkeit. »Die zwei, die da heute Morgen gleichzeitig mit uns gekommen sind«, erklärte Stefán. »Einer hatte eine Sonnenbrille auf der Nase.«
»Nein«, erklärte Steinþór. »Keine Ahnung, die haben wir nicht gesehen.«
»Versuch, sie zu erreichen, Árni. Svavar muss doch die Nummer von Friðrik haben. Er kann sie auf jeden Fall irgendwo bekommen. Diese Weihnachtsmänner können sich ja schließlich auch nützlich machen, wo sie nun schon einmal hier sind.« Árni zog rasch sein Handy aus der Tasche und tat, wie ihm aufgetragen worden war. Der Fußboden knarrte, und das Besteck rasselte in den Behältern, während Stefán mit auf dem Rücken gefalteten Händen zwischen den Tischreihen auf und ab tigerte und unentwegt vor sich hin murmelte, bis Katrín ihn stoppte.
»Ich habe Lárus erreicht«, sagte sie, »sie haben wegen der Drohbriefe seit Mitternacht überall Leute postiert. Er selber befindet sich im Augenblick unten in der Schlucht, aber er hat versprochen, sowohl Autos als auch Fahrer für uns zu organisieren und alle anderen zum Essen zu schicken.«
»Gut«, brummte Stefán und tigerte weiter.
Guðni stand auf und gähnte. »Zum Essen, sagst du? Ja, wie steht es denn hier überhaupt mit dem Essen? Ich hab einen mordsmäßigen Kohldampf.«
»Mit dem wirst du wohl noch eine Weile leben müssen«, knurrte Stefán und drehte sich auf dem Absatz um.
»Pah.« Guðni stiefelte an ihm vorbei durch die weiße Schwingtür zwischen Küche und Speisesaal. Sie schwang ein paar Mal hin und her, und der durchdringende Geruch von heißem Frittierfett drang den Zurückgebliebenen in die Nase. Árni spürte, wie sich sein ausgehungerter Magen erwartungsvoll meldete, versuchte aber, sich dadurch nicht beeinträchtigen zu lassen.
»Und was ist nun mit unseren Geheimdienstlern?«, fragte Stefán ungeduldig. »Hast du eine Nummer bekommen?
Árni nickte und wedelte mit seinem Handy. »Es klingelt.«
»Ewig dieses Gewese mit diesen Typen. Sag ihnen, sie sollen sich schleunigst
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