Blutberg - Kriminalroman
wie gesagt Krieg. Er war es, der den Portugiesen TV-Anschluss in ihren Schlafbaracken verweigerte. Er war es, der behauptete, es könnten keine weiteren Internetanschlüsse zur Verfügung gestellt werden, obwohl die Italiener problemlos welche bekamen. Er hat denen rundheraus erklärt, sie sollen die Schnauze halten
und sich an den Vertrauensmann wenden, wenn sie nicht mit den Schichten oder dem Bonus einverstanden waren oder mit was auch immer. Und er war es auch, der den Vertrauensmann verdroschen hat, den Betriebsobmann, diesen Róbert.«
»Verdroschen?«, fragte Stefán. »Weshalb?«
»Keine Ahnung, das wurde mir nicht gesagt. Aber er hat wohl vor ungefähr einem Monat Hackfleisch aus ihm gemacht. Blaues Auge, geplatzte Lippe, gebrochene Nase, die ganze Palette.«
»Und was dann, hat dieser Róbert ihn angezeigt?«
»Nein.«
»Komisch. Man sollte doch glauben, dass ein Mann in seiner Position Anzeige erstatten würde. Erst recht, wenn er die Spuren dieser Schlägerei im Gesicht trug und sie dem Klassenfeind persönlich zu verdanken hatte.«
»Es gab keine Zeugen«, entgegnete Guðni achselzuckend. »Es wussten nur einige, dass sie sich irgendwo treffen wollten, um über bestimmte Probleme zu reden, und als er das nächste Mal gesichtet wurde - dieser Róbert -, war er schwer lädiert, behauptete aber, hingefallen zu sein. Er ist so ein kleiner Gnom, und die sind meistens am schlimmsten. Hat selbstverständlich nicht zugeben wollen, dass ein blöder Itaker ihn zu Brei geschlagen hat, da er nichts beweisen konnte. Das ist jedenfalls das, was die Leute sagen.«
Stefán runzelte die Stirn. »Die Leute wissen also nicht, ob …«
»Ey, ich wiederhole doch nur, was ich da heute Nacht gehört habe«, fiel ihm Guðni ins Wort. »Natürlich ist das mehr oder weniger Klatsch und Tratsch, aber das ist doch wenigstens etwas Greifbares. Es ist ja nicht so, als würden wir hier in Hinweisen und Informationen ertrinken. Und es ist auch nicht so, als hätten wir uns nie zuvor Klatschgeschichten angehört, und zwar manchmal mit gutem Erfolg.«
Stefán nickte. »Ich weiß, entschuldige. Wir müssen uns aber auf jeden Fall mit diesem Róbert unterhalten, wo auch immer er steckt. Wir haben mehrere Nachrichten auf seiner Mailbox hinterlassen, aber der Mann scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Okay, Björn war also Zuhälter, Halldór hat dem Impregilo-Boss Hörner aufgesetzt und den Fortschritt der Arbeit mit irgendwelchem Kleinkram behindert, und di Tommasso war ein gewalttätiger und großschnäuziger Rassist. Was ist mit den anderen? Barei, Norling und Haase? Und diesem Arbeiter, der überlebte, wie heißt er noch?«
»Jorge«, sagte Katrín, »Jorge Fonsecas.«
»Jorge Fonsecas«, wiederholte Stefán. »Was hat der Koch über die gesagt?«
»Hör mal«, sagte Guðni, »er ist doch bloß Koch. Er kann verdammt noch mal nicht alles wissen.«
Eine Ladung Schnee und ein großer Mann in einem Winteroverall mit einer roten Mütze auf dem Kopf fielen herein, als sich die Tür der eiskalten Lagerhalle öffnete. Róbert, bewaffnet mit einem Kugelschreiber, war zur Stelle, noch bevor die Tür wieder zugefallen und der Mann auf die Beine gekommen war.
»Zweiunddreißig«, sagte Róbert und machte einen weiteren Strich auf das Blatt. »Wie heißt du?«
Der Mann stand auf, und Róbert musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können.
»Was zum Teufel geht dich das an?«, sagte der Mann und klopfte sich erst den Schnee ab, bevor er sich ein blutiges Rinnsal aus dem Mundwinkel wischte.
»Mein Name ist Róbert Finnsson, und ich bin der Vertrauensmann hier.«
»Und?«
»Ich stelle eine Liste über alle zusammen, die festgenommen und ohne irgendwelche Erklärungen hier in diese Gefriertruhe gesperrt wurden. Diese Festnahmen sind völlig illegal, und ich werde sofort Anzeige erstatten, wenn ich hier rauskomme, und zwar in unser aller Namen. Die dürfen nicht damit durchkommen, hier einfach so die Leute zu verhaften. Es muss zumindest irgendwelche Gründe für so drastische Maßnahmen geben. Und bei dir ist offensichtlich auch Gewalt angewendet worden.«
»Ich bin Birgir Valdimarsson«, sagte der Mann. Róbert zückte den Kugelschreiber, doch Birgir umschloss Róberts Hand mit seiner Pranke und verhinderte das. »Weiß nicht, was dich betrifft«, sagte er, »aber ich glaube kaum, dass ich auf deine Liste gehöre.«
Róbert versuchte, seine Hand aus diesem Griff zu befreien, was ihm aber
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