Blutberg - Kriminalroman
einfach gelassen?«
Auðunn murmelte etwas vor sich hin, was Steinþór nicht hören konnte.
»Was?«, fragte er.
»Ich habe meine Arbeit getan«, sagte Auðunn störrisch. »Es hört sich aber so an, als würdest du mir das nicht zutrauen!«
»Ach nein, und was für eine Arbeit war das, und was ist dabei herausgekommen? Und weshalb hast du mir noch nicht darüber berichtet, Junge?«
»Weil es gar nicht möglich ist, mir dir zu reden, wenn du in so einer miesen Laune bist.« Auðunn war hörbar eingeschnappt. »Du hörst einem ja auch sowieso nie zu.«
»Ich höre nicht zu? Was soll denn dieser verdammte …« Weiter kam Steinþór nicht, denn in dem Augenblick wurde die Tür aufgerissen und die Holzbaracke in ihren Grundfesten erschüttert, als Stefán sich den Schnee von den Schuhen stampfte. Die hatten Größe neunundvierzig und erinnerten eher an Schneeschuhe.
»Hallo«, sagte er und blickte sich um, was nicht allzu viel Zeit in Anspruch nahm. »Du musst entschuldigen, dass ich mich gestern nicht mit dir in Verbindung gesetzt habe«, fuhr er fort, indem er seine Worte an Auðunn richtete. »Wir hatten alle Hände voll zu tun, und ich bin davon ausgegangen, dass du dich schon wieder melden würdest, wenn es etwas Wichtiges gäbe. Du hast ja wahrscheinlich auch genug zu tun gehabt,
nicht wahr? Und ihr beide, selbstverständlich«, fügte er hinzu und nickte Steinþór zu. »Seit wann bist du wieder zurück?«
»Vorhin gekommen«, brummte Steinþór, »vor etwa einer halben Stunde.«
»Sie haben dich ohne Schwierigkeiten rübergelassen?« Stefán musste lächeln, als er Steinþórs Miene sah. »Alles klar, das sind verdammte Trottel. Die haben mich gestern auch wer weiß wie oft angehalten. Wie dem auch sei, wir haben einiges herausgefunden, und dem könnt ihr sicher noch das eine oder andere hinzufügen. Trotzdem möchte ich euch bitten, eine bestimmte Aufgabe zu übernehmen.«
Die beiden Männer sahen zunächst Stefán an, dann einander und dann wieder Stefán. »Was für eine Aufgabe?«, fragte Steinþór misstrauisch.
»Ihr sollt für mich einen Bauernhof finden«, sagte Stefán, »wahrscheinlich im Fljótsdalur. Er wurde vermutlich im Zusammenhang mit dem Kraftwerkbau angemietet. Ich weiß nicht, ob ihr davon gehört habt, aber uns ist da ein Gerücht zu Ohren gekommen …«
Von dem Gerücht hatten sie nichts gehört und trauten ihren Ohren nicht. Aber sie wussten sehr genau, welcher Hof für fünfzehn oder zwanzig Frauen aus verschiedenen Ländern angemietet worden war, die hier in Kárahnjúkar arbeiteten. Sie wussten nichts anderes, als dass sie im Zusammenhang mit dem Kraftwerk-Projekt tätig waren.
»Was sie natürlich tun«, kicherte Auðunn. »Auf ihre Weise.« Er hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen, als er Stefáns Miene sah. »Ja … nein, nein. Das ist natürlich eine ernste Sache.«
»Das ist eine sehr ernste Sache«, korrigierte Stefán ihn scharf, »und Prostitution ist absolut nichts Komisches, höchstens in den Köpfen von irgendwelchen Kerlen, die selber nie zu so etwas gezwungen worden sind.«
Auðunn drehte und wand sich verlegen auf seinem Sitz. Steinþór fiel es schwer, ein Grinsen zu unterdrücken, das geschah dem dämlichen Burschen recht. Sehr recht. Doch im nächsten Augenblick wurde auch er kleinlaut.
»Ich begreife aber nicht, wie zum Teufel euch das ein ganzes Jahr lang oder mehr entgehen konnte«, sagte Stefán. »Wenn es tatsächlich stimmt. Sozusagen direkt vor eurer Nase?«
Steinþór war sichtlich aus der Fassung gebracht. »Wie gesagt, ich bin mir nicht sicher, ob da tatsächlich was dran ist, ich meine, es gibt doch hier einen Haufen von Ortsfremden …«
Stefán stoppte ihn ungeduldig mit seiner Pranke. »Spielt keine Rolle. Auf jeden Fall müssen wir der Sache jetzt auf den Grund gehen. Meiner Meinung nach ist es am besten, wenn ihr euch darum kümmert, es ist ja schließlich auch euer Zuständigkeitsbereich, und ihr wisst, wo das ist. Wahrscheinlich wäre es aber nicht schlecht, noch ein paar Leute mehr mitzunehmen, da es sich um so viele Frauen handelt. Könnt ihr da Verstärkung zusammentrommeln? Gibt es nicht ein oder zwei weitere Kollegen in Egilsstaðir und in den Dörfern unten in den Fjorden, die euch begleiten könnten? Meine Leute kann ich im Augenblick nicht entbehren.«
Steinþór sprang auf, ganz und gar Amtsperson.
»Das kriegen wir hin«, sagte er mit gewichtiger Miene. »Ich werde die Sache unverzüglich in Angriff
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