Bluteis: Thriller (German Edition)
»Die werden uns hier rausholen!«
»Sie werden im Fall eines Angriffs nicht lebend aus diesem Bau herauskommen«, versicherte ihm Kisi. »Die Stahlstützen, auf denen dieses schöne Bauwerk ruht, sind mit Sprengsätzen versehen. Wir werden gemeinsam achthundert Meter in die Tiefe stürzen, wenn sich Einsatzkräfte aus der Luft oder über den Boden nähern.«
»Was wollen Sie?« Sonndobler hatte seine Fassung wiedergefunden. Er hatte zu viel erlebt in den letzten Wochen, als dass ihn diese Entführung noch wirklich schockieren konnte.
»Wir möchten, dass Sie nicht länger der Harte Kern der Osterbacher sind.« Kisi setzte sich lässig auf die Kante eines der Tische. »Dass Sie zurückfliegen nach Osterbach und heute Nachmittag verkünden, dass andere Personen an Ihre Stelle treten. Dann können Sie morgen zurück in Ihre Chefsessel und zu Ihren geliebten Familien, und es ist, als wäre nichts geschehen. So einfach.«
»Und wer ist der neue Harte Kern? Sie?«, spottete Sonndobler.
»Wir haben eine Ersatzmannschaft aufgestellt«, sagte Kisi. »Machen Sie sich also keine Sorgen.«
»Und Sie glauben, wir machen da mit und tun in Zukunft so, als wüssten wir alle nichts?« Der analytische Geist des Versicherungschefs weigerte sich, den Unwahrscheinlichkeitsfaktor dieser Forderung zu übergehen.
»So ist es«, fiel Abdullah ein. »Wenn Sie es nicht tun, sterben Sie.« Er zog aus der Tasche seiner Skihose eine winzig kleine Metallkugel, die er zunächst zwischen seinen Fingern hielt, dann legte er sie auf einen der Tische. »Können Sie sie alle sehen? Sie hat einen Durchmesser von einem halben Millimeter. Kommen Sie nur näher und schauen Sie.« Er zog ein Mobiltelefon aus der anderen Hosentasche und tippte darauf herum. Die Kugel zersprang mit einer kleinen Explosion. »Sehr effektiv, wenn sich dieses Implantat in unmittelbarer Nähe Ihrer Schlagader befindet. Sie explodiert übrigens auch, wenn versucht wird, sie auf operativem Weg zu entfernen.«
»Sie sind ja tatsächlich wahnsinnig!«, schrie der Automobil-Vorstand wieder.
»Wir dachten, so ein Spielzeug würde besonders Ihnen gefallen, Herr Doktor«, sagte Kisi. »Aber es ist im Grunde vollkommen egal, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Sie werden es den Rest Ihres Lebens tragen. Und nichts davon spüren. Auch nicht, wenn es das tut, was es eben auf dem Tisch getan hat.«
»Wir bleiben also unser Leben lang Ihre Geiseln«, schloss der Versicherungsmann. »Da werfen Sie uns doch lieber diesen Berg hinunter!«
»Aber, Herr Vorstandsvorsitzender, wer wird denn gleich theatralisch werden. Sie verdienen zwölf Millionen Euro im Jahr. Es wäre doch schön, wenn Sie Ihren wohlverdienten Ruhestand in vier Jahren erleben könnten, um das ganze Geld auch ausgeben zu können. Und ob Sie bis dahin nun am Tropf unserer Entscheidungen hängen oder an denen Ihres Aufsichtsrats und Ihrer Anleger, was macht das für einen Unterschied?«
»Die Entscheidungen unserer Anleger und die von uns fußen auf dem gleichen Gedankensystem, während Sie offenbar auf Gewalt setzen«, entgegnete der Versicherungsmann aufgebracht.
»Machen Sie sich nicht lächerlich. Kommen Sie mir jetzt nicht mit Moral, Werten und dem Markt, der alles zugunsten aller regelt und ausgleicht. Das tut er nicht. Zumindest nicht, wenn Sie ihn ständig umgehen und aushebeln.« Kisi wurde laut. »Die wirklichen Gewalttäter sind Sie hinter Ihren Schreibtischen. Ihre Waffen sind Spekulation und Ausbeutung.« Es gab so vieles, was sie diesen Männern nach all den Jahren endlich an den Kopf werfen wollte.
»Wir haben für jeden von Ihnen eine Vereinbarung vorbereitet, die wir Sie bitten zu lesen und zu unterzeichnen.« Abdul drückte sich seiner Erziehung entsprechend gewählt und freundlich aus. Er zeigte in den hinteren Teil des Raums. Auf zwölfen der Tische lag je ein bedrucktes Blatt Papier und ein Stift. »Es handelt sich um Ihre Rücktrittserklärung aus dem Kreis des Harten Kerns und des Lenkungsausschusses der Osterbacher-Organisation. Und wir haben uns erlaubt, für jeden von Ihnen eine passende Unterlassungs- und zukünftige Handlungserklärung aufzusetzen.«
»Zwölf Verträge? Wir sind insgesamt dreizehn!«, rief einer der Manager. »Was ist mit Sonndobler?« Es war der Vorstandsvorsitzende des Lebensmittelgiganten Varrée.
Annemarie Käppli ergriff zu diesem Thema zu Wort. »Um den machen Sie sich keine Gedanken. Er tut das, was ich sage. Das hat er in den letzten vier Jahren auch getan. Und wenn
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