Bluteis: Thriller (German Edition)
wenden, wenn Sie ein paar Zettel mit Absichtserklärungen in den Händen halten? Die Mächte des Marktes und des Geldes sind Naturgesetze. Auch wir sind ihnen unterworfen.«
Kisi baute sich vor dem Chef der Vatikanbank auf, der es als einziger Vertreter einer Weltanschauung in den Harten Kern geschafft hatte. »Das aus dem Mund eines Katholiken zu hören, überrascht mich. Ihresgleichen herrscht seit zweitausend Jahren trotz dieser angeblichen Naturgesetze. Ich dachte allerdings, dass es einen göttlichen Willen gibt, der diese Naturgesetze festgeschrieben hat. Dann ist es also göttlicher Wille, dass während der Minute, die wir uns hier unterhalten, zwölf Kinder an Hunger sterben? Sechzigtausend Menschen verhungern jeden Tag. Und das, obwohl Ihre Wohltätigkeitsorganisation überall doch nur Gutes tut. Sie schauen dem täglichen Massaker tatenlos zu. Und an Weihnachten sammeln Sie Geld ein, indem Sie Archivbilder von sterbenden Kindern zeigen. Die Hälfte von diesen Spenden versickert dann in Ihrer verbrecherischen Organisation. Von Ihnen will ich, dass Sie Ihr Geld zinsfrei Kleinbauern und Frauen zur Verfügung stellen.«
»Ich habe es gelesen. Mikrokredite zur Unternehmensgründung. Wenn es so einfach wäre …«
»Und ich will von Ihnen, dass Sie Ihre alten Männer in der Kurie endlich dazu bringen, nicht mehr die Vermehrung der eigenen Herde als oberstes Ziel anzusehen.«
»Sie wollen also Verhütung und Abtreibung. Kindsmord.«
»Wir wollen, dass sich die Weltbevölkerung nicht in fünfzig Jahren auf vierzehn Milliarden verdoppelt, denn irgendwann steht auf jedem Quadratmeter Landfläche ein Mensch. Also setzen Sie Ihr ganzes Geld, Ihre Intelligenz, Ihren Einfluss auf die Menschen dazu ein, ihnen beizubringen, mit sich und ihrer Umwelt so umzugehen, dass das nicht passiert. Lassen Sie sich etwas einfallen! Sie haben sich schon so viel einfallen lassen, um Menschen in Angst und Schrecken zu halten.«
»Und das soll ich im Vatikan durchsetzen? Sie überschätzen meinen Einfluss.«
»Das glaube ich nicht. Ohne die Vatikanbank und ihre Geschäfte wäre der ganze Laden bald pleite. Also tun Sie nicht so, als würden die alten Männer nicht auf Sie hören. Auch Sie haben Ihre Mittel. Notfalls installieren Sie einen neuen Papst. Das wäre ja nicht das erste Mal.«
»Ich glaube, ich habe hier die längste Hausaufgabenliste von allen«, machte sich der Vatikanbankier lustig. »Ein bisschen viel für einen: die Börsenspekulation auf Grundnahrungsmittel verbieten, die EU-Dumpingpolitik in Afrika abschaffen, weiteren Landraub verhindern, die Überschuldung der meisten Entwicklungsländer bekämpfen.«
»Sie sind ein relativ junger Mann in der Kirche. Sie haben zwanzig Jahre Zeit. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden, wie man so schön sagt. Beten Sie für göttlichen Beistand, wenn Sie daran glauben. Und schließen Sie Koalitionen. Darin sind Sie doch Meister.«
»Wenn Sie meinen …« Der Mann unterschrieb.
»Da mache ich nicht mit!«, schrie der CEO des größten Energieunternehmens der Welt. »Rückzug aus Tiefseebohrungen, Wiederherstellung der Landschaft in Nigeria, Verzicht auf Fracking … Was Hans sagt, ist korrekt. Wenn wir es nicht tun, tut es die Konkurrenz!«
»Wenn Sie ein Zeichen setzen, wird der Druck auf die anderen Firmen Ihrer Branche wachsen. Und vergessen Sie bitte nicht, wir haben unsere Methoden. Jetzt machen Sie!«
Kisi ließ eine Kugel knapp an seinem Kopf vorbei in einen hölzernen Pfeiler der Hütte krachen. Daraufhin unterschrieb der Mann.
»Sie sehen doch, nur unter Gewaltandrohung machen die Kollegen mit«, protestierte Sonndobler, der wie die anderen Manager von Abdul mit der Maschinenpistole in Schach gehalten wurde. »Absolut wertlos, Ihr Papier!«
»Albert, halten Sie die Klappe!«, ließ sich der Schweizer vernehmen, der den internationalen Pharma- und Chemieriesen leitete. »Sie Idiot sind an dem ganzen Schlamassel schuld. Sie und dieser kranke Kayser. Nur, weil ihr eure Schwänze nicht unter Kontrolle habt. Besorgen Sie sich doch auch so eine MPi, wenn Sie wahllos in der Gegend herumknallen möchten.«
Sonndobler folgte dem Blick des Schweizers, der die Waffe von Abdul fixierte. Dann sah er zu dem weißhaarigen Mann zurück, der im Aufsichtsrat von Sonndoblers Bank saß und mit dem er sich immer schon beinahe wortlos verstanden hatte, und sagte: »Meiner funktioniert wenigstens noch von allein und braucht nicht die Tabletten aus der hauseigenen Apotheke. Oder
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