Bluteis: Thriller (German Edition)
lassen Sie sich das Zeug täglich zu Dienstantritt in die Blutbahn spritzen?«
Der ehemalige Schweizer Offizier hatte verstanden. Er machte eine gelangweilte Miene. »Entwicklung von Medikamenten für seltene Krankheiten und kostenlose Belieferung von Drittweltländern, höhere Standards für Menschenversuche als für Tierversuche … Damit kann ich leben, das wollte ich sowieso in unsere Unternehmensrichtlinien aufnehmen lassen, irgendwann«, gab der Chemiker lapidar zu Protokoll. »Also her mit Ihrer Bombe.« Er unterzeichnete, legte den Kopf schräg nach links, um seinen Hals anzubieten, und wartete, bis Kisi an seinen Platz kam.
Sie ging entspannt auf ihn zu. Dass die Erpressten so schnell einlenken würden, hatte sie nicht vermutet. Als sie neben ihm stand, ließ der Mann seinen Stift zu Boden fallen. Mit einer blitzschnellen Bewegung, die einem Dreiundsechzigjährigen kaum zuzutrauen war, bückte er sich zur Seite nach dem Schreiber, steckte den linken Arm nach Kisis Skistiefel aus, bekam sie zu fassen und zerrte ihre beiden Füße mit einem Ruck nach oben.
Das war das Zeichen für Sonndobler, sich auf Abdul zu werfen, der fassungslos beobachtete, was seiner Anführerin zwischen den Tischen widerfuhr. Im Fallen betätigte die Terroristin den Abzug der MPi. Eine Salve löste sich, und drei der Fenster zersplitterten. Gleichzeitig gab es im Eingangsbereich einen lauten Knall, als wäre dort eine Explosion erfolgt.
Der Pharma-Boss trat Kisi mit dem Fuß die Waffe aus den Händen, sprang mit den Knien auf ihre Brust und versuchte, sie am Boden zu fixieren. Doch die durchtrainierte Frau hatte mehr Kraft als der alte Mann, und es gelang ihr, ihn abzuschütteln. Sie hechtete in Richtung der MPi und bekam sie wieder zu fassen.
Sonndobler und Abdul befanden sich außerhalb ihrer Sichtweite und wälzten sich, von den massiven Tischen verdeckt, am Boden, während sie um die Waffe rangen. Sie hielten sie beide umklammert, und auch aus ihr lösten sich kurze Salven, die in der Decke des Raumes einschlugen.
Die anderen Topmanager saßen entweder wie versteinert an ihren Tischen oder suchten unter deren zehn Zentimeter starken Hartholzplatten Schutz.
Plötzlich stürmten drei Männer durch den Gang in den Speisesaal. Sie wurden angeführt von Markus Denninger, der sich nach rechts hinter den Tresen der Essensausgabe warf. Kisi feuerte in seine Richtung, doch die Kugeln blieben in der Theke stecken oder prallten von den Edelstahlflächen ab und sirrten als Querschläger durch den Raum. Abdul, der mit einer Ladehemmung seiner Maschinenpistole zu kämpfen hatte, bekam einen davon in die Schulter und brach zusammen.
Die zwei anderen Kommandoagenten suchten Deckung hinter den Holzsäulen und gaben einige Einzelschüsse auf Kisi ab, die sich jedoch unter einen der Holztische rettete. Auch alle anderen – die gekidnappten Manager, die beiden Piloten, Annemarie Käppli und schließlich Sonndobler – hatten sich unter irgendeinen Tisch geworfen, und keiner wusste, wer in dem Saal wo mit einer Waffe unter welchem Tisch saß. Die Bewaffneten lugten darunter hervor, die Unbewaffneten kauerten sich ängstlich zusammen. Angespannt wartete jeder darauf, aus welcher Richtung die ersten Schüsse kommen würden. Und ein jeder fragte sich bang, ob er selbst noch atmen würde, wenn der letzte Schuss gefallen sei.
Sonndobler befand sich hinten rechts im Saal und konnte den Raum recht gut überblicken. Falls er unter Beschuss genommen wurde, könnte er in jede Richtung zurückfeuern. Allein die Frage, ob es Freund oder Feind war, der da schoss, war das Problem. Wer waren die Männer, die plötzlich in den Saal gestürmt waren? Kommandoeinheiten der französischen Polizei? Woher wussten die, was sich hier abspielte? Und befanden sich noch mehr Männer draußen? Vier Kämpfer gegen eine Terroristenbande waren ein bisschen wenig? Warum kamen die restlichen nicht herein?
Er lugte vorsichtig um eine Sitzbank herum, die bei seinem Sprung unter den Tisch umgefallen war. Drei Tische weiter sah er Annemarie Käppli mit einem Smartphone in der Hand. Sie tippte und wischte mit dem Zeigefinger auf dem Display herum.
In diesem Moment bewegte sich ein Mann aus seiner Deckung. Es war der Mann, den Sonndobler als Gil kannte. Er feuerte kurze Salven in Richtung von Sonndobler und kam langsam, Schritt für Schritt, immer näher.
Auch der Kopilot näherte sich dem Banker, der unter dem Tisch hockte. Und dann …
Dann setzten sich auch drei der vier
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