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Blutengel: Thriller

Blutengel: Thriller

Titel: Blutengel: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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Wikipedia-Artikeln überhaupt noch etwas gelesen wurde. Man hatte sie gewarnt.
    Sie rief auf ihrem Handy die gespeicherten SMS-Nachrichten auf und las noch einmal die Frage, die sie kurz vor ihrer Vorlesung erhalten hatte.
    »Auf einen miesen Kaffee im Präsidium? Heute 15 Uhr? Mangold.«
    Bestimmt ging es um eine dieser leidigen Nachbesprechungen zum Travenhorst-Fall. Möglich auch, dass Mangold sie noch einmal zu einer Therapie überreden wollte. Nein, sie wollte das durchaus nicht ausschließen und es war nichts dabei, sich auch als Psychologin auf die Couch zu legen. Doch der Zeitpunkt war noch nicht gekommen.
    Sie dachte an die Tage und Nächte, in denen sie in der Gewalt dieses mit einer multiplen Persönlichkeit ausgestatteten Täters gewesen war. An das gewaltige Puzzle, das er vor ihnen aufgebaut hatte, und daran, was in ihrem Bauch heranwuchs. Nein, es war keine Vergewaltigung gewesen, eher eine Befruchtung. Und trotzdem. Bis jetzt hatte sie den Abtreibungstermin immer wieder verschoben. Nicht, dass sie auch nur einen Augenblick wirklich ernsthaft daran gezweifelt hatte, den Fötus abzutreiben, den dieser Täter als letztes Lebenszeichen in ihr hinterlassen hatte.
    Sie hätte gleich die Abtreibungspille nehmen sollen, aber irgendetwas hatte sie davon abgehalten. Die Angst vor Nebenwirkungen oder die Hoffnung, doch nicht geschwängert worden zu sein?
    Und warum hatte dieses mörderische Genie ausgerechnet sie ausgesucht? Mangold vermutete, dass er ihr bereits vorher begegnet sein musste und ihre berufliche Beschäftigung mit der dunklen Seite der Seele in seinen Augen entscheidend gewesen war. Dunkle Seite der Seele! Sie dachte an die Gespräche, die sie mit verurteilten Mördern und Vergewaltigern in Haftanstalten und psychiatrischen Kliniken geführt hatte. An die Fassaden, die sie vor ihr aufgebaut hatten und die schnelle Bereitschaft, sich selbst als bedauernswertes Opfer brutaler Mütter und Väter, der Umstände, neurotischer Störungen oder einer Suchterkrankung zu sehen.
    Wer sich lediglich als Opfer sah, musste sich nicht mehr der Verantwortung stellen. Musste nicht mit den Menschen mitfühlen, die durch die eigene Hand verstümmelt oder getötet worden waren.
    Hatte ihre Beschäftigung mit diesen finsteren Abgründen sie für den Serienmörder Travenhorst tatsächlich so interessant gemacht, dass sie in seinen Augen als Leihmutter für seinen wiedererweckten parasitären Zwilling herhalten durfte? Für den imaginären Bruder, der in seinem Kopf lebte und wiedergeboren werden sollte?
    Viele Fragen waren noch nicht gelöst. Wie hatte er die Wachhunde auf dem Bremer Wohnwagenpark ablenken und dort die Leiche eines jungen Mädchens platzieren können? Wie war er in ihr Haus gelangt, um dort in aller Ruhe falsche Fingerabdrücke zu hinterlassen? Ja, wie war es ihm immer wieder gelungen, sie mit falschen Spuren an der Nase herumzuführen?
    Wie auch immer, dieser Savant hatte sie gewählt und seine Kreise enger und enger gezogen. Schauder liefen ihr über den Rücken, wenn sie nur daran dachte, wie er sich lauernd angeschlichen hatte. Ihre Tochter und sie selbst waren in höchster Lebensgefahr gewesen.
    Kaja packte ihre Sachen zusammen, verließ eilig den Hörsaal und spazierte zur Grindelallee. In einer kleinen Bäckerei ließ sie sich Kaffee in einen Becher füllen und ein belegtes Brötchen geben.
    Während sie kaute, grübelte sie darüber nach, ob sie den Fall des Serientäters Travenhorst in einem eigenen Seminar behandeln sollte. Doch dafür würde sie die Aktenfreigabe durch die Staatsanwaltschaft brauchen. Außerdem: Würden sich Psychologiestudenten für einen derart abstrusen und brutalen Fall interessieren? Lockte sie damit nicht gerade die Spinner in ihr Seminar? Gut, sie bräuchte nicht jedes Detail auszubreiten. Das war aufgrund der Brutalität, mit der der Täter vorgegangen war, ohnehin nicht möglich.
    Sie nippte an dem Kaffee und packte das angebissene Brötchen in ihre Tasche. Ein wenig Abnehmen konnte ihr ohnehin nicht schaden. Während ihrer Arbeit in der Mordkommission hatte sie ihre täglichen Jogging-Touren auslassen müssen und sich seitdem nicht mehr aufraffen können. Sie hatte die Wiederaufnahme ihres Laufprogramms auf die Zeit nach dem Abtreibungstermin verschoben. Eines nach dem anderen.
    Studenten strebten die Grindelallee entlang zu ihren Vorlesungen, Seminaren oder auch Arbeitsplätzen. Auch in ihrem Seminar saßen einige völlig erschöpfte Teilnehmer, die wegen ihrer

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