Blutfehde
die Rückfahrt länger brauchten als geplant. Kurz vor sieben standen wir noch immer im Stau auf der Höhe der Canal Street und brannten beide vor Ungeduld, in mein Büro zu kommen und Brendan Quillians Optionen zu überprüfen.
»Es ist wie mit Saddams Schlupfloch, Coop. Er befindet sich irgendwo unter uns. Wir müssen nur die richtige Öffnung finden.« Mike rief Mercer an, um ihm zu sagen, dass wir nicht mehr weit weg waren. »Hast du Teddy schon erreicht? Wie? Was willst du damit sagen, diese Dödel haben ihn aus den Augen verloren? Herrgott, ich hätte ihn selbst observieren sollen. Hast du ihm eine Nachricht auf dem Handy hinterlassen?«
Mercer antwortete, und Mike sagte »Gut.«
Dann lauschte er erneut, bis er plötzlich das Auto an den Bordstein lenkte und aufgebracht seinen laminierten Parkausweis auf das Armaturenbrett warf. »Scheiße! Wie konnten sie ihn in der U-Bahn verlieren? Wo? Das ergibt keinen Sinn, Mann. Wir treffen uns am Eingang der City Hall Station… Ja, auf der Ostseite, an dem alten Kiosk gegenüber dem Municipal Building. So ungefähr in einer Viertel- bis halben Stunde. Bring Verstärkung mit, Mercer. Coop ist bei mir.«
Bring Verstärkung mit war ein Befehl, den Mike selten erteilte. Allein die Tatsache, dass wir seiner Meinung nach Verstärkung brauchten, jagte mir Schauer über den Rücken.
Mike nahm eine kleine Taschenlampe aus dem Handschuhfach, steckte sie in seine Gesäßtasche, stieg aus und eilte im Laufschritt zur nächsten Kreuzung, Ecke Lafa-yette und Canal Street. Dort befand sich der Eingang zur U-Bahn-Linie sechs, dem Lexington Avenue Local. Die von den Regierungs- und Gerichtsgebäuden in nördlicher Richtung strömenden Fußgänger hinderten uns am Durchkommen, und ich holte Mike ein, als er gerade die Stufen zur U-Bahn hinunterrannte.
»Bleib hinter mir«, rief er mir zu. Er zog seine Metro-Card durch das Drehkreuz, und dann noch einmal für mich.
»Was hat Mercer gesagt?«
»Diese Idioten haben O’Malley verloren, nachdem sie ihm den ganzen Nachmittag gefolgt sind. Er hat sein Auto in der Nähe der U-Bahn-Haltestelle geparkt, ist in die Sechs Richtung Downtown gestiegen und eine Station bis zur Brooklyn Bridge gefahren«, sagte Mike. »Die Dödel sind ausgestiegen, haben Teddy aber nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
»Du meinst, sie haben ihn in der Menge aus den Augen verloren?«
»Sie sagten zu Mercer, sie hätten ihn auf dem Bahnsteig gesehen - anscheinend war nicht mal so viel los. Aber nachdem sich die Menge aufgelöst hatte, war O’Malley verschwunden.«
»Müssen dort nicht alle aussteigen? Der Zug endet doch dort, oder?«
Brooklyn Bridge, am Fuß der berühmten Brücke, war die letzte Haltestelle der Linie sechs auf der Strecke von Pelham Bay Park nach Lower Manhattan.
»Außer man fährt die Schleife aus«, sagte Mike.
Der Zug fuhr in den Bahnhof, und wir stiegen ein. Arbeiter und Angestellte, die auf dem Nachhauseweg waren, lehnten müde ihre Köpfe ans Fenster, während andere von ihrem Buch oder ihrer Zeitschrift aufsahen. Ich folgte Mike zügigen Schrittes durch drei Abteile in den ersten Wagen, hinter die Fahrerkabine, wobei ich mich an den Halteschlaufen und Stangen festhielt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mike drehte sich zu mir um und reichte mir die Hand, um mir in den ersten Wagen zu helfen.
»Welche Schleife? Wovon redest du?«
Wir standen uns so nah gegenüber, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Ich hielt mich an Mikes Schulter fest.
»Von genau dem Ort, den wir gesucht haben, nur wusste Mercer ja leider nichts von unserer Unterhaltung mit Phin Baylor. Vielleicht hat uns Teddy O’Malley unwissentlich hingeführt.«
»Wohin?«
»Zur Haltestelle City Hall. Die prächtige Endstation der ersten U-Bahn-Strecke von New York. Vielleicht die eleganteste U-Bahn-Station, die je gebaut wurde.«
»Aber sie ist seit fünfzig Jahren geschlossen. Warst du schon mal drin?«
»Sie wurde vorübergehend geöffnet, weil man sie auf ihre Hundertjahrfeier im Jahr 2004 vorbereiten wollte. Die Terror-Taskforce musste sie damals überprüfen. Aber der Polizeipräsident hat ziemlich bald nach dem elften September ihre erneute Schließung angeordnet. Sie liegt direkt unter dem Rathaus, man konnte keinen Anschlag riskieren.«
»Und die Schleife?«
»Sobald alle Passagiere an der Brooklyn Bridge ausgestiegen sind, beschreibt der leere Zug eine scharfe Rechtskurve in die Wendeschleife. Die Züge fahren dort auf die Gleise der
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