Blutfehde
drehte sich auf seinem gesunden Bein um und lehnte sich an die Brüstung. »Aber er muss doch wissen, dass Brendan Quillian sich an keinem dieser Orte verstecken würde.«
Mike hatte in den letzten Tagen kaum geschlafen, um mit O’Malley jedes unterirdische Tunnel- und Bauprojekt abzulaufen. »Warum nicht? Angenommen, jemand - jemand, der Duke gegenüber loyal ist, der vielleicht sogar den alten Quillian mochte - also angenommen, dieser Jemand versteckt ihn, bis er ihm bei seiner Flucht aus der Stadt helfen kann? Ihr macht doch immer so auf Bruderschaft.«
»Das ist schon richtig, mein Sohn. Aber nicht an den Orten, wo O’Malley herumstiefelt. Er lässt Sie einem Phantom hinterher jagen.«
»Warum?«
»Weil er Ihnen nur aktive Grabungen gezeigt hat. Sicher, man kann auch dort jemanden verstecken. Aber Brendan würde es dort nicht lange aushalten. Seit er bei dem Feuerwerk sein Augenlicht verloren hat, hat der Junge Angst.
Ein Ort, wo noch gesprengt und Dynamit gezündet wird, ist nichts für ihn. Seine Nerven würden ihn noch am ersten Tag umbringen. Ich wette, dass ihm selbst die Schießerei im Gerichtssaal - auch wenn er selbst geschossen hat - eine Heidenangst eingejagt hat.«
Mike nickte nachdenklich. »Haben Sie das auch Bobby Hassett gesagt?« Er wusste, dass der Mann, der Brendan Quillian mit neuer Leidenschaft hasste, einen Tag Vorsprung hatte.
»Das brauchte ich ihm nicht zu sagen. Das weiß er.«
»Was wollte er dann von Ihnen?« Mike ließ nicht locker. »Was genau, Phin?«
»Das, worauf ihr auch selbst hättet kommen müssen.« Phin war von Mikes großspurigem Gehabe genervt und tippte ihm mit dem Finger auf die Brust.
»In Ordnung, wir sind also dumm. Helfen Sie uns.«
»Denken Sie an die Familiengeschichte der Quillians.« Phin zeigte mit dem Finger auf seinen Kopf. »Die Quillians sind seit fünf Generationen an jedem Grabungsprojekt in dieser Stadt beteiligt. Brücken, Tunnel, Viadukte, U-Bahn-Röhren, Abwasserkanäle - es gibt nichts unter oder über den Straßen von New York, an dem sie nicht mitgearbeitet haben.«
»Das trifft auch auf die Hassetts zu«, sagte Mike.
»Ja, manchmal arbeiten sie auf den gleichen Baustellen und manchmal auf verschiedenen. Bobby ist clever genug, um zu wissen, dass Brendan Quillian sich nur an einem Ort verstecken würde, wo er sich sicher fühlt.«
Mike spann Phins Logik weiter. »Wo er sich wohl fühlt. An einem Ort, den er kennt. Wo er vielleicht als Junge mit seinem Vater war. Danach hat Bobby Sie also gefragt.«
Phin Baylor lächelte. »Jetzt sind Sie auf der richtigen Spur.«
»Haben Sie ihm etwas gesagt? Haben Sie ihm eine Liste der Orte gegeben, an die Sie sich erinnern?«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich keinen Ärger haben will, junger Mann.«
»Was würde uns diese Liste kosten, Phin? Hundert Mäuse?«
»Da fange ich vielleicht mit Nachdenken an.«
»Denken Sie laut nach.«
»Vergessen Sie die aktiven Tunnel, durch die O’Malley Sie gezerrt hat. Wenn Brendan Quillian noch in der Stadt ist, dann ist er in einer Geisterstadt. An einem verlassenen Ort. Wo es außer ihm nur noch Ratten gibt.«
Mike hörte aufmerksam zu.
»Und eines ist sicher: Es muss dort totenstill sein, Chapman. Brendan braucht einen Ort, der still wie ein Grab ist.«
45
Wir gaben unserem Informanten Geld genug für einen Wochenvorrat billiges Bier und machten uns auf den Rückweg nach Manhattan.
Mike telefonierte mit Mercer. »Schnapp dir Teddy O’Malley und komm mit ihm in Coops Büro. Wir müssen ein Brainstorming machen. Coop und ich sollten spätestens um sechs dort sein. Peterson lässt Teddy beschatten, seit wir ihn heute Nachmittag aus Trish Quillians Haus kommen sahen. Setz dich mit den Detectives in Verbindung. Sie müssten wissen, wo er steckt.«
Ich wartete, bis Mike fertig war, und rief dann Battaglia an, damit er schon mal im Büro des Bürgermeisters Druck machte. Ich brauchte so schnell wie möglich Experten von allen städtischen Behörden, die für die Tunnel- und Bauprojekte zuständig waren, das heißt, der Umwelt-, Verkehrs- und Hafenbehörde, und die über jedes einzelne Projekt genauestens Bescheid wussten. Ich bat Laura, den Konferenzraum für uns zu reservieren, damit wir unsere Karten auf dem großen Tisch ausbreiten konnten, um sämtliche verlassene Tunnel und Schächte in den fünf New Yorker Stadtbezirken zu lokalisieren.
Der Verkehr auf dem Deegan Expressway und der Triborough Bridge war so dicht, dass wir für
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