Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)
aggressiv geworden, oder er hat sie erschreckt. Schließlich war er total betrunken. Es kann alles Mögliche passiert sein, im Dunkeln auf dieser Bank.«
»Nehmen wir mal an, das Mädchen hat geschossen«, dachte Starum laut. »Hinterher ist sie ausgeflippt und ist zu ihrer Therapeutin gelaufen. Wir sind ziemlich sicher, sie hat der Hoff erzählt, dass Killi tot ist. Aber – hat sie ihr auch erzählt, dass sie ihn erschossen hat?«
»Sie muss auf jeden Fall Teile der Wahrheit erzählt haben«, sagte Gunnarstranda. »Das Mädchen muss ja total verzweifelt gewesen sein.«
»Sie meinen, dass das Mädchen und die Psychologin das Team in der Klinik gemeinsam hinters Licht geführt haben, was den Grund für die Einweisung betrifft?«
»Es war gar nicht nötig, irgendein Team hinters Licht zu führen. Vergessen Sie nicht, von dem Moment, als das Mädchen Kontakt zu ihrer Therapeutin aufnahm, bis zu ihrer Ankunft in der Klinik sind vier Stunden vergangen. Maria Hoff hatte vier Stunden Zeit, mit dem Mädchen zu › sprechen ‹ . Es war Sonntagvormittag, und es war kein Team da, das die Einweisung vor Ort hätte überprüfen können.«
Wieder schwiegen beide nachdenklich.
»Aber warum?«, fragte Vibeke Starum schließlich. »Jeder professionelle Therapeut würde die Polizei anrufen, wenn er erfährt, dass ein Klient jemanden umgebracht hat. Maria Hoff weist das Mädchen ein. Versteckt sie. Warum?«
»Sie hat eine Entscheidung getroffen.«
»Wenn sie die Situation als fachliches Dilemma empfand, dann –«
»Kein fachliches Dilemma. Sie hat diese Entscheidung getroffen, weil sie davon profitiert hat. Es gibt keine andere Antwort.«
»Aber was hätte sie zu verlieren gehabt, wenn sie zur Polizei gegangen wäre?«
»Sie kannte zwei Polizisten. Der eine wurde ermordet, der andere war Petter Bull.«
Sie sahen sich an. »Das ist Grund genug, um nicht zur Polizei zu gehen«, sagte Vibeke Starum und dachte laut: »Maria Hoff war die Therapeutin von Welhaven … Genau!«, rief sie plötzlich und stoppte Gunnarstranda mit einer erhobenen Hand, als er sie unterbrechen wollte. »Das ist der Grund! Welhavens Geheimnisse haben den ganzen Alptraum ausgelöst. Die Geschichte mit der Geldwäsche muss Welhaven belastet haben – dass er sich von einem Schwerstkriminellen benutzen ließ. Welhaven hat an seinem Selbstbewusstsein gearbeitet, um seinem Sohn ein gutes Vorbild zu sein. Welhaven hatte Vertrauen zu Maria Hoff. Er hat darauf vertraut, dass alles, was er in ihrem Beisein sagte, unter die Schweigepflicht fiel. Er hatte ihr von Anfang an sein Herz ausgeschüttet. Maria Hoff hat schließlich zugegeben, dass Killi sich an sie herangemacht hatte, um Informationen über Welhaven zu bekommen. Sie hat behauptet, sie habe Killi abgewiesen. Und wir wissen, das ist gelogen.«
Gunnarstranda nickte. »Sie muss gar nicht alles weitererzählt haben. Aber Killi war ein Bulle. Er brauchte nur eine kleine Andeutung, um zu wissen, wo er graben musste.«
Vibeke Starum blickte zu Maria Hoff hinter dem Fenster hinauf. »Eigentlich ist es verständlich, dass sie Panik bekommen hat, als das Mädchen an dem Morgen bei ihr aufgetaucht ist.« Dann schlussfolgerte sie sichtlich überzeugt: »Veronika muss ihr erzählt haben, dass Killi an dem Morgen ermordet wurde. Sie muss auch von Darak Fares erzählt haben. Maria Hoff wusste, warum Fares Killi umbringen wollte. Welhaven war verschwunden –«
»Nein,« unterbrach Gunnarstranda sie. »Sie wusste da noch nicht, dass Welhaven verschwunden war. Frølich hat erst am Sonntagabend Kontakt mit ihr aufgenommen.«
»Umso klarer passt alles zusammen«, sagte Starum. »Maria Hoff bekam Panik, als das Mädchen auftauchte. Ihr Nichtdichthalten in Bezug auf Welhaven hatte einen Mord ausgelöst. Sie hat sich persönlich dafür verantwortlich gefühlt. Außerdem muss sie sich Sorgen um ihre Zukunft gemacht haben. Sie wusste, dass die Ermittlungen in ihre Richtung weisen würden und ihre Illoyalität früher oder später ans Licht kommen würde. Als Veronika sie um Schutz bat, hat sie das Mädchen in die Klinik eingewiesen und dann diesen Laptop gestohlen, damit niemand etwas von ihrer Beziehung zu Killi erfuhr.«
Sie schwiegen beide, lange.
Schließlich seufzte Starum. »Aber diese ganze Rekonstruktion steht und fällt damit, ob Darak Fares wusste, dass Killi der Erpresser war. Und das können wir nicht beweisen.«
In der Küche des Reihenhauses stand die Psychologin mit dem Rücken zum Fenster. Sie
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