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Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Titel: Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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Unten auf dem Drammensfjord war ein Wirrwarr von weißen Segeln zu sehen, die vor dem Start einer Regatta durcheinanderschwärmten. Er stand auf, zog sich den weißen Overall und den Imkerhut mit dem Schutznetz über und ging langsam zu den vier Bienenkörben hinunter, die am Südhang unter der Esche standen. Anfänglich hatte er Handschuhe benutzt, wenn er die Bienen behandelte. Aber aus Sympathie mit den kleinen Arbeitern hatte er auch damit aufgehört. In einem Bienenstock ist es eng, und es gibt wenig freien Platz. Handschuhe erzeugten Distanz und konnten außerdem leicht dazu beitragen, dass man im Gedränge wertvolle Arbeiterinnen verlor.
    Er schickte ihnen ein paar ordentliche Rauchschübe durchs Flugloch. Anschließend löste er den Deckel und benutzte den Smoker, um Wachposten und Hausbienen niederzuhalten. Er fühlte vorsichtig das Gewicht des Stocks. Die Qualität des Sommers war spürbar. Er war schwer. Kein Wunder. Sie hatten schon drei Wochen Hitze ohne Niederschlag. Den Hang hinunter und auf den Feldern konnte er die Weidenröschen blühen sehen. Er sollte weitere Rahmen einsetzen. Die Kerlchen wollten mehr Arbeit. Aber die Rahmen mussten gezimmert werden. Also würde er später genug zu tun haben.
    Die vielen Bienen, die im Brutraum wimmelten, glichen einer zusammenhängenden Masse. Selbst wenn jetzt im Spätsommer die Gefahr des Schwärmens geringer wurde, musste er die Wärme und die Blütezeit berücksichtigen. Deshalb entfernte er zwei Königinneneier, entdeckte die Dame höchstselbst auf einem der Rahmen und ließ sie sich auf dem Bodenbrett verkriechen.
    Während er arbeitete, dachte er an Edel. Fragte sich, ob sie es fertig gebracht hätte, mit den Bienen zu arbeiten. Manche Menschen haben im Verhältnis zu Insekten eine hohe Hemmschwelle. Edel hatte Angst vor Wespen gehabt. Aber er wusste nicht mehr, wie intensiv diese Angst gewesen war. Er selbst hatte Respekt vor den Bienen. Aber er hatte keine Angst vor ihnen. Er glaubte zu wissen, wie sie funktionierten. Das Bienenvolk muss in erster Linie als Kollektiv betrachtet werden und nicht als Individuen. Das Leben einer Biene hat keinen Sinn, wenn sie den Kontakt zum Stock verliert. Eine Biene, die sich verirrt, ist verloren. Eine Biene im Einklang mit ihrer Natur kennt ihren Platz und ihre Aufgabe im Verhältnis zum Stock, zur Königin, zum Honig und zur Evolution. Doch sie weiß es selbst nicht. Sie funktioniert einfach. Er kam zu dem Ergebnis, dass Edel sicher gut mit den Bienen hätte umgehen können. Obwohl sie oft über Bagatellen gestritten und sich beide geweigert hatten nachzugeben, hatten sie bei konkreten Vorhaben immer gut zusammengearbeitet.
    Gunnarstranda setzte Rahmen und Kasten wieder ein und beendete die Arbeit an den Bienenstöcken in einem geistesabwesenden Zustand. Er ging zur Hütte zurück und betrat den Arbeitsraum in dem kleinen Schuppen. Hier sammelte er saubere Rähmchen, um neue Honigräume in den Stöcken einzurichten. Es fanden sich mehrere etwas abgenutzte, aber noch brauchbare Rähmchen in den Regalen. Doch damit nicht genug. Er suchte Stahldraht, Rähmchenspäne und Wachsplatten und nahm sich reichlich Zeit, um die fehlenden Rähmchen zu bauen. Die Arbeit mit den Bienen war eine Form von Kontemplation, die er zu schätzen gelernt hatte. Sie lud zu einer angenehmen Mischung aus Konzentration und freiem Gedankenfluss ein. Ohne dass ihm klar war, warum, wanderten seine Gedanken zu Emma, in den Tagen, als er ein Junge war. Ein Mensch, der einst in seinem Bewusstsein einen enormen Platz eingenommen hatte, war zu einer kaum noch spürbaren Erinnerung geworden. Aber die Bücher in Welhavens Hütte hatten davon erzählt, dass Emma sich mehr als die meisten anderen Menschen für einen Teil der Wirklichkeit interessiert hatte, für den er selbst sich ebenfalls mehr als die meisten anderen Menschen interessierte. Diesen Gedanken wurde er nicht los.
    Er dachte an etwas, das er in einem von Frølichs Berichten gelesen hatte: Arne Werner Welhaven hatte die Hütte nach dem Tod seiner Ehefrau nicht mehr benutzt .
    Aber Welhaven war zur Hütte gefahren, um mit den Erinnerungen an seine Ehe zu sterben. Und er hatte eine überaus brutale Todesart gewählt, einen Fall aus über zehn Metern Höhe auf hartes Gestein, bevor das Wasser ihn fortspülte.
    Hatte er sich selbst strafen wollen?
    An wen hatte Welhaven gedacht, als er den endgültigen Schritt tat?
    Während seine Hände automatisch Rähmchen zimmerten, Stahldraht einzogen und

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