Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)
danach?«
Frølich zuckte seinerseits mit den Schultern. »Na ja, ich frage mich nur, warum er an diesem Abend hier war, wenn er kein Stammgast war.«
»Es ist gar nicht sicher, ob er überhaupt hier war. Der Schuss fiel schließlich draußen, auf dem Platz.«
Wie erwartet waren weder Frølich noch Yttergjerde an diesem Abend auf mehr als ein Pils eingestellt. Als sie durch die niedrige Tür wieder ins Freie traten, übernahm Yttergjerde die Führung. Er war hier gewesen in der Nacht, als es geschehen war.
Bei den Granitblöcken, wo Ivar Killi gelegen hatte, war das Blut noch nicht ganz von den Steinplatten gewaschen. Die Reste bildeten einen dunklen Schatten auf dem Boden. Jemand hatte auf der Bank eine Kerze angezündet. Die Flamme flackerte.
»Wer wohl die Kerze angezündet hat?«, sagte Frølich. Der Anblick ließ ihn erschaudern. Er war nicht in der Stimmung, wegen Ivar Killis Tod oder wegen der Gefahr, die das Polizistendasein mit sich brachte, in Depressionen zu verfallen. Er wollte trinken und an nichts anderes denken. »Wir gehen«, rief er und riss sich los. Er war schon ein ganzes Stück gegangen, als er entdeckte, dass er allein war. Er drehte sich um.
Emil Yttergjerde stand noch immer reglos an derselben Stelle.
Frølich betrachtete die Menschen um sich herum, während er wartete. Eine junge Frau mit langen Beinen und einem in sich gekehrten, verträumten Blick schritt vorüber. Ein lächelnder Mann im Anzug drehte sich um und wartete auf zwei andere, die sich miteinander unterhielten und langsamer gingen. Eine Frau mit Kopftuch schob einen Kinderwagen und blieb vor der roten Ampel an der Kreuzung Lakkegata stehen. Endlich kam auch Emil Yttergjerde.
Er blieb ebenfalls vor der roten Ampel stehen.
Es wurde grün.
Bremsen quietschten. Gesichter drehten sich nach einem niedrigen BMW um. Das Fenster wurde heruntergelassen. Ein kräftiger Unterarm und eine Hand erschienen. Emil Yttergjerde beugte sich zu dem geöffneten Wagenfenster hinab. Die Reifen drehten durch. Der Wagen beschleunigte. Yttergjerde warf sich auf den Türgriff und taumelte auf die Fahrbahn. Frølich musste zur Seite springen, um nicht überfahren zu werden. Den Bruchteil einer Sekunde lang sah er das Gesicht des Fahrers. Es war Darak Fares.
Mit quietschenden Reifen verschwand der Wagen um die Ecke in die Christian Kroghs Gate.
»Was wollte er?«
»Er hat gesagt, er wüsste, wer es war«, sagte Yttergjerde atemlos. »Er behauptet, er wüsste, wer Ivar Killi erschossen hat.«
Stimmungswechsel. Sie setzten sich in Teddys Softbar , ein Szenelokal, in dem bei der Sommerwärme nur wenige Gäste waren. Aber keiner von beiden hatte noch Lust, mit der Sonnenbrille auf der Nase Menschen anzuschauen. Die ersten Halben vergingen mit Gesprächen über das, was sie gerade erlebt hatten. Aber Yttergjerde wollte das Thema nicht fallen lassen. Frølich fing bald an sich zu langweilen. Er sagte: »Der blufft garantiert. Lass uns das Thema wechseln.«
Yttergjerde starrte ins Glas und auf seine Hände. Er war blass. In seinem leeren Blick lag etwas Destruktives. Er hob den Kopf und sagte:
»Starum ist sicher. Rindal ist sicher. Und dann wird dieses Arschloch vom Untersuchungsrichter freigelassen.«
Frank Frølich atmete tief durch. »Es nützt nichts, zu …«
»Mir ist scheißegal, was nützt und was nicht!«
Solche Ausbrüche waren im Teddys , einem Lokal, in dem seit den fünfziger Jahren außer der Musik in der Jukebox nichts verändert worden war, fehl am Platze. Der Mann an den Zapfhähnen hatte über den Tresen gebeugt gestanden und Zeitung gelesen. Jetzt sah er mit einer fragenden Furche auf der Stirn über seine Brillengläser zu ihnen herüber.
»Hör zu«, sagte Frølich gedämpft. »Gegen den Entscheid wurde keine Berufung eingelegt. Das heißt, Starum ist nicht sicher. Wenn sie wirklich an die Beweise glauben würde, hätte sie Berufung eingelegt.«
Emil Yttergjerdes Blick war verschwommen vom Alkohol, als er sich mit einer Serviette den Kautabaksaft vom Mund wischte.
Wie mit dem Kopf gegen die Wand schlagen , dachte Frølich auf dem Weg zur Toilette.
Als er zurückkam, war Yttergjerde damit beschäftigt, eine SMS zu schreiben. Kurz danach klingelte sein Handy. Frølich hörte nur mit halbem Ohr hin. Emil redete mit Kollegen. Er sprach von Darak Fares und erzählte, was der durchs Wagenfenster gesagt hatte. Er und der Kollege am anderen Ende putschten sich gegenseitig auf.
Alle werden wütend, nur ich nicht , dachte
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